Wolfsfieber - Handeland, L: Wolfsfieber
Körper hinweg, schlitterte über das Gras und landete auf meinem Hinterteil.
Benommen blieb ich einen Moment lang sitzen. Bis ich ein tiefes, grollendes Knurren hörte.
Mit einer einzigen Bewegung sprang ich auf die Füße, was verdammt athletisch von mir war, falls mir das Eigenlob gestattet ist. Aber blankes Entsetzen lässt eine Frau Höchstleistungen vollbringen.
Ich hechtete zu der offenen Käfigtür, während sich der Wolf langsam aufsetzte und den Kopf schüttelte, als käme er gerade aus dem Wasser. Der Pfeil hatte nicht besonders lange gewirkt.
Aber natürlich war er für ein sechzig Kilo schweres Tier ausgelegt gewesen. Dieses hier wog jedoch ein ganzes Stück mehr. Ich schätze, ich konnte von Glück reden, dass er überhaupt eingeschlafen war.
Ich knallte die Tür zu, drehte den Schlüssel um, zog ihn aus dem Schloss und ging so schnell wie möglich auf Distanz. Dabei rutschte ich wieder aus und landete auf den Knien. Ging es nicht noch ein bisschen tollpatschiger?
Ich hatte bewusst auf einem Vorhängeschloss bestanden. Ein Wolf konnte zwar keinen Riegel öffnen, ein Mensch aber schon. Und falls diese Kreatur das war, wofür ich sie hielt, würde sie spätestens am nächsten Morgen über Daumen verfügen.
Der Wolf warf sich mit aller Kraft gegen die Gitterstäbe. Knurren und Zähnefletschen folgten.
Noch immer auf Händen und Knien hob ich den Kopf, und alles schien sich plötzlich zu drehen.
Der Wolf sah bis hin zu Adam Ruelles Augen exakt so aus wie der in meinem Traum.
35
„Oh mein Gott. Oh mein Gott.“
Ich konnte nicht aufhören, vor mich hin zu stammeln, konnte nicht aufhören, ihn anzustarren. Wie war das möglich? Ich hatte Adam mit Silber berührt. Es hatte ihm nichts ausgemacht.
Das Ding in dem Käfig warf sich noch immer wie wild gegen das Gitter und versuchte, sich mit den Zähnen seinen Weg in die Freiheit zu erkämpfen. Blut mischte sich in den weißen Geifer, der von seiner Schnauze tropfte. Vielleicht war er ja doch ein tollwütiger Wolf.
„Das ist kein Wolf“, wisperte ich.
Ohne nachzudenken, verstaute ich den Schlüssel in meiner Hosentasche, wobei meine Finger das Gris-Gris berührten. Die Kreatur heulte, als hätte sie Schmerzen, dann begann sie, sich zu verwandeln.
Die Transformation hätte einem Horrorfilm entstammen können; anfangs weigerte sich mein Verstand zu akzeptieren, was meine Augen sahen.
Das glatte dunkle Fell zog sich zurück, wurde kürzer und kürzer, so als würde es durch die Haut gesaugt. Pfoten wurden am unteren Ende der Hinterbeine zu Füßen, am unteren Ende der Vorderbeine zu Händen. Die Krallen verschwanden auf die gleiche Weise wie zuvor das Fell.
Der Hals verkrümmte sich, die Wirbelsäule wurde länger; das Tier jaulte. Vom Vierfüßer zum Zweibeiner zu werden, konnte nicht angenehm sein.
Seine Schnauze schrumpfte, dann unterteilte sie sich in Mund und Nase, während gleichzeitig die Zähne kürzer wurden. Mit einem satten, schmatzenden Geräusch verschwand der Schwanz. Die Augen blieben unverändert.
Im Käfig stand ein nackter Adam Ruelle.
Er wirkte nicht bestürzt darüber, als Monster enttarnt worden zu sein. Und schien sich auch nichts daraus zu machen, hier nackt, wie Gott ihn schuf, vor mir zu stehen. Es schien ihm sogar zu gefallen, oder vielleicht gefiel auch ich ihm, falls die Größe seiner Erektion irgendein Indiz darstellte.
Aber was ihm offensichtlich gar nicht gefiel, war der Käfig. Er schlug mit beiden Hände gegen die Gitterstäbe und knurrte: „Lass mich raus.“
Ich schüttelte den Kopf. Sprechen konnte ich nicht.
„Verdammtes Miststück, lass mich sofort hier raus!“
Ich blinzelte. Das klang so gar nicht nach Adam. Andererseits, was wusste ich schon? Ich hatte ihm geglaubt, als er sagte, dass er nicht der loup-garou sei.
Er legte den Kopf in den Nacken und starrte zum Halbmond hoch. „Wie hast du das gemacht?“
„Wa-was gemacht?“
„Dass ich mich verwandle.“
Seine Stimme war feurig, sein Blick das genaue Gegenteil. Seine Augen ließen mich an Lazarus denke n – sie blickten kalt und emotionslos. Dieser Mann würde ohne mit der Wimper zu zucken töten und es vergessen haben, noch bevor das Blut auf dem Boden getrocknet war.
Der Adam, den ich kannte, war zwar kein warmer Kuschelbär, aber er war auch nicht böse. Oder vielleicht war ich auch zu sehr damit beschäftigt gewesen, mir das Hirn rausvögeln zu lassen, um es zu bemerken.
Mir tat die Hand weh, so verkrampft hielt ich das Gris-Gris
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