Wolfsfieber
durchdringen-
den Blick an. Er kannte noch meinen Namen. Das verblüffte
mich völlig. Also, sein Kopf schien nichts abbekommen zu
haben. Er wiederholte meinen Namen:
„Joe, ich bitte dich mir zu helfen. Du darfst niemanden
rufen. Wenn du mir wirklich helfen willst, dann bring mich
einfach nach Hause.“ Seine Bitte, sein Flehen klangen wie
der herzerweichende Wunsch eines Kindes, den man unmög-
lich abschlagen konnte. Also tat ich, was für mich undenkbar
war. Ich tat nicht das, was offensichtlich „das Richtige“ war,
sondern worum er mich gebeten hatte. Ich ließ mein Handy
in meiner Tasche verschwinden und löste mich von seinem
starken Griff. „In Ordnung“, gab ich ihm zu verstehen und
blickte ihm direkt in die Augen. Sofort löste sich seine An-
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spannung und er sank erleichtert auf die Straße zurück. Er
stieß einen langen Seufzer aus und wandte sich mir erneut
zu.
„Danke. Dafür werde ich dir ewig dankbar sein.“
Der Lärm des Regens hätte seine sanften Dankesworte fast
übertönt. Ich fühlte, wie eine unbekannte Nervosität in mir
hochkam, die so gar nicht zu der Situation passte. Ich ver-
suchte, mit Humor dieses seltsame Gefühl in mir zu über-
spielen: „Hey, schließlich habe ich dich angefahren. Ich
schulde dir was.“ Er hatte sofort verstanden, dass ich einen
unangebrachten Witz gemacht hatte, und lächelte schief,
wobei sich ein leises „Aua“ in sein Lächeln mischte.
„Ich schaffe dich jetzt wohl besser von der Fahrbahn. Du
liegst hier schon ewig mitten im Regen. Und eine Lungen-
entzündung ist das Letzte, was du gebrauchen kannst“, gab
ich ihm zu verstehen, während ich versuchte, ihn beim Auf-
stehen zu stützen. Er war schwerer, als ich gedacht hatte.
Sein schlanker, drahtiger Körper hievte sich von der Straße,
wobei seine Arme die Decke festhielten, die seinen nack-
ten Körper vor der Kälte schützte. Ich versuchte, mich auf
die Seite seiner unverletzten Hüfte zu schieben, und stützte
sein Gewicht, indem ich seinen Arm um meine Schulter leg-
te. Dabei kam er mir ganz nahe und ich bemerkte, dass von
seinem Körper eine deutlich wahrnehmbare Hitze ausging,
obwohl er ohne Kleidung in der nassen Kälte gelegen hatte.
Das irritierte mich noch mehr als der rasende Puls, den seine
Nähe bei mir auslöste.
Linkisch öffnete ich die Beifahrertür und half ihm beim
Einsteigen, wobei ich ein sanftes Lächeln auf seinen Lippen
sah. Ich konnte mir keinen vernünftigen Grund für dieses
Lächeln vorstellen. Ja, wenn er meine Verlegenheit erahnen
könnte, vielleicht. Aber objektiv betrachtet war die Situation
zu ernst für ein Lächeln. Ich entfernte mich von ihm, was
mir ein merkwürdiges Unwohlsein und ein Leeregefühl ver-
schaffte, um die Verbandssachen von der Straße zu sammeln.
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Ich schmiss alles achtlos auf den Rücksitz und schnallte
mich zuerst an. Dann lehnte ich mich auf seine Seite, um
ihm den Sicherheitsgurt anzulegen, wobei er wieder dieses
schiefe Lächeln aufsetzte und mein Herz automatisch poch-
te, als würde ich an einen Defibrillator angeschlossen und
sein Lächeln wäre der Auslöser.
Erschrocken wich ich zurück und startete den Motor. Der
Wagen fuhr langsam über die Stelle, wo wir uns beide noch
kurz zuvor befunden hatten. Wie ferngesteuert fuhr ich die
Straße entlang und bog bei der zweiten Möglichkeit rechts
ab. Er durchbrach die Stille mit einer Feststellung.
„Du fährst ja zu dir und nicht zu mir.“
„Woher weißt du, dass es hier zu mir geht?“, fragte ich
völlig verdutzt.
„Ich … glaube, jemand hat mir mal gezeigt, wo du wohnst“,
stellte er klar.
„Ach so“, antwortete ich unsicher.
„Ich bringe dich zu mir. Du weigerst dich ja beharrlich, in
ein Krankenhaus zu fahren oder einen Arzt zu sehen. Mei-
ne Mutter ist Krankenschwester und es befinden sich eine
Menge medizinische Artikel bei uns im Haus. Und außer-
dem weiß ich ja nicht, wie gut deine Hausapotheke bestückt
ist. Du hast doch nichts dagegen, dass ich versuche, dich bei
mir zusammenzuflicken? Schließlich habe ich einiges bei dir
gutzumachen“, sagte ich und wartete neugierig und gespannt
auf seine Reaktion.
„Nein, ich habe nichts dagegen. Ich bin dir sehr dankbar
dafür. Für alles. Auch für dein Verständnis“, ließ er mich auf-
richtig wissen.
„Es ist ja nicht so, dass ich auch nur ansatzweise verstehe,
wieso du keinen Arzt möchtest, aber ich verspreche dir, dich
so gut ich
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