Wolfsfieber
kümmern wir uns um deine Hüfte! Ich fürchte, dazu
musst du aufstehen.“
Kaum hatte ich den Satz beendet, da stand er schon vor mir
und ich blickte auf seinen nackten Bauch. Die Decke hat-
te er in einem Schwung bis zu seinen Hüften hinunterge-
schoben. Ich musste schlucken bei dem Gedanken, dass ich
gleich seine Haut berühren sollte, doch ich hatte es vor nicht
einmal einer Stunde schon einmal getan. Und dennoch stieg
mir jetzt die Hitze auf, als ich ganz zart die Decke von seiner
Haut schob, um an die Wunde zu kommen. Er schien nicht
im Mindesten verschämt zu sein, und selbst wenn, ich hätte
ihm jetzt bestimmt nicht ins Gesicht gesehen, um sicherzu-
gehen. Ich entfernte den notdürftig angebrachten Verband
und war verwirrt. Wo noch zuvor eine deutliche Wunde zu
sehen war, zeigten sich nur noch eine dunkle Prellung und
verkrustetes Blut.
Wie konnte das sein? Ich konnte es mir nicht erklären.
Ich blickte kurz zur Seite, damit er meine Verwunderung
nicht bemerkte. Mit dem feuchten Tuch entfernte ich das
angetrocknete Blut und zog die Decke über die Hüfte.
„Du kannst dich wieder setzen“, sagte ich ihm.
„Wie geht es deinen Rippen? Kannst du atmen?“, frage
ich dann.
Er atmete tief ein, hielt die Luft an und atmete wieder aus.
„Alles bestens. Siehst du?“, bekräftigte er und schlug sich
dabei gegen die Brust, wo keine blauen Flecken mehr zu se-
hen waren. Ich musste mich vorhin getäuscht haben, was
seine Rippen betraf. Es war auch sehr dunkel gewesen und
noch dazu der starke Regen. „Gut“, nickte ich zustimmend.
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„Dann muss ich mich nur noch um deine Hände und
Arme kümmern.“
Ich griff nach seinen Armen, die er in seinen Schoß gelegt
hatte. Ich nahm beide Hände in meine und drehte sie mehr-
mals herum, um mir alles genau anzuschauen. Es waren vie-
le Abschürfungen, Kies und Blutstriemen zu sehen. Er ließ
meine Begutachtung über sich ergehen und beobachtete da-
bei genau meine Bewegungen und Handgriffe. Ich nahm mir
zuerst die feuchten Tücher und strich damit vorsichtig über
seine Arme. Der Schmutz und die Blutspuren blieben auf
dem Tuch hängen. Ich wiederholte die Prozedur mehrmals,
bis seine Hände annähernd sauber waren. Dann nahm ich
jede Hand einzeln in meine und entfernte mit einer Pinzette
etwaige Steinchen und den Kies. Danach beträufelte ich die-
se Stellen und die Abschürfungen mit dem scharfen Des-
infektionsmittel.
Wir sprachen beide kein Wort. Der Schein der Lampe
erlaubte uns nur, unsere Aufmerksamkeit auf die erleuch-
teten Stellen im Raum zu konzentrieren. Und das waren in
diesem Moment unsere Hände. Das Gesicht des jeweils an-
deren befand sich im Dunkeln. Ich bemerkte, dass ich seine
Hand noch nicht losgelassen hatte, obwohl ich schon längst
mit meiner Behandlung fertig war. Ich konnte ganz deutlich
fühlen, wie seine Hände an meinen entlangfuhren. Das jag-
te mir einen Schauer über den Rücken, den ich bis zu den
Zehen spüren konnte. Ich schloss die Augen. Ich wagte es
nur, da ich mir sicher war, dass er es nicht sehen konnte.
Doch er musste dennoch irgendetwas bemerkt haben, da er
im selben Moment einen leisen, wohligen Seufzer ausstieß.
Ich erstarrte. Der Schreck veranlasste mich, sofort die Augen
aufzureißen und meine Hände zurückzuziehen. Ich wagte
nicht, auch nur ein Wort zu sagen. Ich musste unbedingt
einen Moment allein sein. Mich für eine paar Minuten sei-
ner Nähe entziehen.
„Ich … ich denke, ich sollte nachsehen, ob ich nicht ein
paar Sachen für dich zum Anziehen finde. Ich habe bestimmt
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ein paar alte Sachen, die mein Bruder hiergelassen hat“, sag-
te ich, mehr an die Dunkelheit denn an ihn gewandt. Wäh-
renddessen fuhren meine Finger ständig nervös meinen Hals
entlang.
Mit einem Satz war ich aus der Tür und sprintete die
Treppen hoch. Ich hastete in das alte Zimmer meines Bru-
ders und schloss die Tür hinter mir. Ich lehnte mich gegen
die Tür und genoss die einsame Stille des Raums. Mein gan-
zes Wesen war in Aufruhr, als würden die Unruhe und Panik
des Unfalls erst jetzt richtig ausbrechen. Ich atmete ein paar
Züge tief ein und aus. Es schien zu helfen. Ich entspannte
mich ein wenig.
Mit einer hastigen Bewegung öffnete ich den Kleider-
schrank und nahm mir das Erstbeste heraus, was mir in die
Finger kam. Ich hielt ein paar alte Jogginghosen, sehr weite,
in der Hand und ein lockeres T-Shirt. Das würde gehen, vor
allem weil ich mir mit
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