Wolfsflüstern (German Edition)
so sehr von Jases bizarrer Wandlung und den anderen Geschehnissen vereinnahmt, dass sie die Tür zum Zimmer der As öffnete, bevor sie die seltsamen Geräusche dahinter registrierte. Sie blieb mit fassungsloser Miene im Durchgang stehen.
Alles war kurz und klein geschlagen; überall lagen Klamotten herum, die meisten davon zerschnitten. Die Vorhänge hingen in Fetzen herab; die Bettdecke sah nicht viel besser aus.
Die komischen Geräusche, die sich in gurgelnde, grunzende, knurrende Laute verwandelt hatten, drangen, genau wie das Plätschern eines offenen Wasserhahns, aus dem Bad.
»Amberleigh?« Gina hastete durch das Zimmer und guckte ins Badezimmer.
Das Mädchen beugte sich über den Wannenrand und hielt den Mund direkt unter den rauschenden Wasserstrahl, während es mit gierigen Schlucken trank. Die glatte goldene Perfektion seines Körpers wurde nur gemindert durch die tropfende blutende Fleischwunde an seinem Knöchel.
Kein Wunder, dass die wehgetan hatte.
»Hey«, setzte Gina an.
Amberleighs Kopf schoss herum, und sie spuckte Wasser über die Fliesen.
Sie sah nicht mehr wie Amberleigh aus.
Gina knallte die Tür zu. Das, was einst Amberleigh gewesen war, warf sich mit solcher Kraft von der anderen Seite dagegen, dass der Rahmen splitterte.
Sie sollte wegrennen, aber sie würde diesem … Ding nicht den Rücken zukehren. Um keinen Preis der Welt.
Eine Hand krachte durch das Holz. Diese Türen bestanden aus purer Eiche. Wie hatte sie das angestellt? Vielleicht unter Zuhilfenahme der Krallen, die inzwischen ihre Finger ersetzt hatten.
Amberleighs Gesicht tauchte hinter dem Loch auf. Ihre Haare hingen in Strähnen herab; ihre Augen blickten animalisch. Wurden ihre Zähne größer? Oder schrumpfte ihre Nase?
»Scheiße«, entfuhr es Gina. Die blonde Taubnuss war im Begriff, sich zu verwandeln.
Gina machte sich keine Sorgen mehr darüber, ihr den Rücken zuzukehren; jetzt ging es nur noch darum, Land zu gewinnen. Sie rannte aus dem Zimmer und den Flur entlang, krampfhaft bemüht, nicht zu schreien, um nicht die anderen herbeizulocken. Sie wären buchstäblich ein gefundenes Fressen.
Sie versuchte nachzudenken: Was sollte sie tun? Wie könnte sie Amberleigh hier drinnen festhalten, während sie selbst nach draußen lief und das Gewehr holte?
Das Scharren der Krallen im Flur klang, als würde ein Hund versuchen, auf einem glatten Holzboden zu beschleunigen. Gina erreichte die Treppe und schaute sich nach hinten um.
Was sich als kapitaler Fehler erwies, denn der Anblick, der sich ihr bot, machte sie so starr, dass sie taumelte, dann stürzte sie über die Stufen nach unten; dabei hangelte sie sich verzweifelt am Geländer entlang und konnte sich gerade genug abbremsen, dass sie sich nicht das Genick brach, auch wenn sie sich, als sie endlich am Fuß der Treppe aufschlug, fast wünschte, es wäre so gekommen.
Die Luft wurde ihr aus der Lunge gepresst. Gina konnte nicht atmen, konnte sich nicht rühren, konnte nicht sprechen.
Es wurde noch schlimmer, als Amberleigh auf ihren Brustkorb sprang.
Hätte sich der schmutzig-blonde Werwolf – allem Anschein nach färbte Amberleigh ihre Haare, was keine wirkliche Überraschung darstellte – mit den babyblauen Augen sofort über Ginas Kehle hergemacht, wäre sie erledigt gewesen. Aber offenbar spielte Amberleigh gern mit ihrem Essen.
Sie fletschte die Zähne. Schaum befleckte ihre Schnauze. Wären da nicht die menschlichen Augen gewesen, Gina hätte gedacht, dass ein tollwütiger Wolf ins Haus eingedrungen sei. Aber die Augen waren menschlich, und es waren Amberleighs.
Das Biest beugte sich gemächlich nach unten, darauf wartend, dass Gina in Panik geriet, dass sie kämpfte, dass sie flehte. Vielleicht hätte sie das sogar getan, wenn sie hätte sprechen können. Doch mit dem mehr als fünfzig Kilo schweren Ungetüm auf ihrer Brust konnte sie nicht mehr tun, als keuchend um Luft zu ringen.
Amberleigh war schnell gelangweilt – noch etwas, das der Wolf und das Mädchen außer den Augen gemeinsam hatten. Sie warf den Kopf zurück, um zur tödlichen Attacke anzusetzen, als …
… Stichflammen von ihrem Kopf hochschossen.
22
Gina schob den heulenden, tobenden, sterbenden Koloss aus Fell und Fangzähnen von ihrer Brust und krabbelte hastig davon. Sie stieß mit dem Rücken gegen etwas Robustes, wirbelte panisch keuchend herum, dann sackte sie in Teos Armen zusammen, während er auf die Knie fiel, um ihren Sturz abzufangen.
»Amberleigh«, ächzte Gina und
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