Wolfsflüstern (German Edition)
herunterklatschen lassen. Sie waren durchnässt, hungrig, müde und ein wenig überreizt.
Trotzdem führten sie brav einer nach dem anderen ihre Pferde in den Stall. Die Tiere waren genauso erschöpft, nass und schmutzig wie sie selbst, und es wäre grausam gewesen, sie in diesem Zustand zu belassen.
Gina brachte Spike und Lady Belle in ihre Boxen. Jase tauchte auf und nahm sich mit effizienten, mürrischen Bewegungen Spikes an. Er sagte kein Wort, bis er fertig war – und das ein gutes Stück vor Gina.
»Wir treffen uns in der Küche«, brummte er. »Wir stecken in der Patsche.«
»Welche Art von Patsche?«
Teo hatte nicht wie jemand gewirkt, der auf Probleme aus war. Andererseits hatte er auch nicht wie ein Lügner gewirkt, aber diese Einschätzung war mehr als falsch gewesen.
Jase schüttelte abwehrend den Kopf, dann ließ er Gina stehen, um den anderen zur Hand zu gehen.
Die nächsten paar Tage würden die Gäste auf der Ranch verbringen, um den Wellnessteil ihres Kurzurlaubs zu absolvieren. Sie konnten sich massieren lassen, Ausflüge zu den nahe gelegenen heißen Quellen unternehmen, sich bei Yoga entspannen oder aus einer Vielzahl weiterer Erholungsmöglichkeiten schöpfen, bevor sie zu ihrer zweiten, etwas schwierigeren Tour aufbrechen würden.
Nachdem Gina sich um Lady Belle gekümmert hatte, schaffte sie es sogar noch, zu duschen und sich umzuziehen und trotzdem vor Jase in der Küche zu sein. Fanny kümmerte sich gerade um die letzten Details des Abendessens, das aus ihrem berühmten Chili con Carne und Hühnchen-Fajita-Nachos bestehen würde.
Trotz heißer Dusche und warmer Klamotten fröstelte Gina noch immer. Sie schenkte sich eine Tasse Kaffee aus der stets gefüllten Kanne ein und setzte sich an den Tisch.
»Was ist passiert?«, fragte sie.
Fanny, die weiter in ihrem Chili rührte, mied Ginas Blick. »Du musst mit Jase sprechen.«
Gina gefiel das überhaupt nicht, besonders, da sie hätte schwören können, ungeweinte Tränen in Fannys belegter Stimme zu hören. Aber ganz gleich, wie oft sie fragte, wie inständig sie bettelte, die Frau sagte kein Wort mehr. Womit sie nur erreichte, dass Gina sich alle möglichen entsetzlichen Dinge ausmalte.
Eine Schlägerei zwischen Teo und Jase. Teo war gestürzt und hatte sich eine schwere Kopfverletzung zugezogen. Er war in ein irreversibles Koma gefallen, und die Polizei stellte Fragen.
Teo, tot und im Garten verscharrt. Jase brauchte ihre Hilfe, um zu entscheiden, was sie mit den restlichen Leichen anstellen würden. Denn natürlich durften sie jetzt niemanden mehr gehen lassen.
Gina schüttelte den Kopf. Sie hatte in den kalten Winternächten zu viele Thriller geguckt. Genau wie Jase.
Sie nippte an ihrem Kaffee und stellte sich dem Szenario, das sie bisher ausgeblendet hatte – ein weitaus realistischeres, aber nicht minder beängstigendes. Was, wenn Teo noch immer hier war und sich weigerte abzureisen, solange Gina ihn nicht zu dem Ort führte, der auf dem Foto abgebildet war?
Nach dem Tod ihrer Eltern hatte sie beinahe ein Jahr gebraucht, um sich wieder dorthin zu trauen. In der Zwischenzeit hatte man die Grube mit Erde zugeschüttet, die fest geworden war, sodass es schien, als sei dort nie etwas vorgefallen.
Aber sie wusste es besser.
Jase kam herein, und Gina sprang so hastig auf, dass sie fast ihren Stuhl umstieß. Stattdessen kleckerte sie Kaffee auf die bis dato schneeweiße Tischdecke.
»Was ist geschehen?«, wiederholte sie, ein wenig zu laut.
Jase schaute zu seiner Mutter, die noch immer ihr Chili umrührte und dabei in den Topf starrte, als könnte sie darin Antworten auf die entscheidenden Fragen des Lebens finden. »Du hast es ihr nicht gesagt?«
»Das ist deine Aufgabe.«
»Na toll.«
»Was ist los?«, entfuhr es Gina. »Hast du ihm wehgetan?«
»Ich habe überhaupt noch nicht mit ihm gesprochen.«
Jase durchquerte die Küche und holte sich ebenfalls eine Tasse Kaffee, dann nahm er das Geschirrtuch, das seine Mutter ihm hinhielt, obwohl sie sich kein einziges Mal umgedreht hatte und daher gar nicht wissen konnte, dass Gina etwas verschüttet hatte, und warf es ihr zu. »Willst du, dass ich ihm wehtue?«
Gina, die gerade die Kaffeepfütze aufwischte, hielt mitten in der Bewegung inne. Das Deckenlicht fiel in Jases dunkle Augen und machte sie so undurchdringlich wie eine sternenlose Nacht. Für einen Moment sah er aus wie ein Fremder. »Hast du sie noch alle?«
Jase zuckte mit den Achseln. »Er wird uns die Ranch
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