Wolfsflüstern (German Edition)
gebrauchen, und er war genau der Richtige, um sie ihr zu geben. Sie würde es ihm von Herzen danken.
Er wandte sich wieder dem Computer zu, um eine neue Kopie des Fotos, das Gina ihm aus der Hand gerissen hatte, auszudrucken – bestimmt gab es unten ein Business Center, wo das möglich war –, aber er googelte sich die Finger wund, ohne dass er es entdeckte. Das Bild war nicht mehr auffindbar.
»Verdammt«, fluchte er. Jemand hatte das Foto gelöscht.
Gina? Oder Jase? Machte es einen Unterschied?
Über kurz oder lang würde Matt das Bild vermutlich aufstöbern – das Internet vergaß nichts –, aber wozu weitere Zeit vergeuden? Er brauchte kein Foto, um sich zu erinnern, wie das Terrain aussah.
Und nach Ginas Gesichtsausdruck zu urteilen, als er es ihr gezeigt hatte, brauchte auch sie keine Gedächtnisstütze.
Gina wäre am liebsten sofort in die Stadt gefahren, um Benjamin Morris gegenüberzutreten, aber leider war sein Büro übers Wochenende geschlossen. Wahrscheinlich war das auch besser so, da sie die nächsten paar Tage damit beschäftigt sein würde, Wellness-Termine zu koordinieren und ihre Gäste zu unterhalten.
Typisch für den letzten Abend der Entspannungstage war ein Lagerfeuer samt einem einheimischen Volkssänger, der unter Mitwirkung der Gäste witzige Cowboylieder zum Besten gab.
Mel war ganz in seinem Element. Er und der Barde lieferten sich ein nicht minder witziges Gesangsduell, bei dem Mel die Lieblingslieder aus seiner Schulzeit schmetterte, wie den alten Wendell-Hall-Song:
A bum sat by the sewer
And by the sewer he died
And at the coroner’s inquest
They called it sewer side.
Oh, it ain’t gonna rain no more, no more
It ain’t gonna rain no more
How in the heck can I wash my neck
If it ain’t gonna rain no more?
Doch zu späterer Stunde verlegte man sich vom Singen aufs Reimen, was, nach ein paar Moonshine Mollys zu viel – Isaacs Erfindung, die wie ein milder Whiskey Sour schmeckte, jedoch die Wirkung eines doppelten Long Island Iced Tea hatte –, zu beunruhigenden Auswüchsen wie diesem führte:
Ich kenn da ’nen Kerl namens Billy,
der tunkte in Gin seinen Willy.
Tat Wermut dazu für sein Mädelein,
dann steckte er ihr ’nen Martini rein.
»Stopp!« Gina sprang verärgert von einem der flachen Baumstümpfe auf, die als Hocker um das Lagerfeuer gruppiert waren. »Damit ist das Unterhaltungsprogramm des heutigen Abends beendet.«
»Aber wieso denn?«, maulte Mel. »Mir fallen bestimmt noch hundert andere ein.«
»So viel ist sicher«, bestätigte Melda und stibitzte ihm das fast leere Glas mit der dritten Molly aus der Hand. »Wenn er erst mal anfängt, ist es verteufelt schwer, ihn zu bremsen.«
»Wie steckt man denn jemandem einen Martini rein?«, wunderte Derek sich. »Das ist mir echt zu hoch.«
»Vergiss es einfach.« Tim strafte sowohl Gina als auch Mel mit einem Blick ab, der fast so unflätig war wie der Reim, dann zog er seinen Sohn ins Haus.
»Aber Martini klingt gut«, fand Amberleigh.
Der Cowboy-Barde strich das, was von seinem Haar noch übrig war, nach hinten und wischte die Pomadereste an seiner Jeans ab. »Was das betrifft, kann ich dir behilflich sein, kleine Lady.«
»Echt?«, fragte Amberleigh. Die As teilten sich einen zurechtgestutzten Doppelhocker auf der anderen Seite der Feuerstelle. »Hast du Wermut und Gin dabei?«
»Nein.« Der Sänger ließ die Hand von seiner Hüfte zu seinem Schritt wandern. »Dafür habe ich einen …«
»Schluss jetzt!«, donnerte Gina.
»Aber ich will einen Martini«, jammerte Amberleigh.
»So einen bestimmt nicht«, versicherte Gina ihr. »Glaub mir.«
Sie bedeutete Jase, ihr den Kerl aus den Augen zu schaffen. Obwohl er seit seinem beleidigten Abgang aus der Küche nicht mehr mit ihr gesprochen hatte, tat er wie befohlen. Falls sich herumspräche, dass sie an den Lagerfeuerabenden anstößige Reim-Wettbewerbe veranstalteten, könnten sie auch noch ihre letzten Kunden verlieren. Wahlweise würden sie einen Ansturm erleben, den sie nicht bewältigen konnten. So oder so musste der Cowboy-Barde verschwinden.
Wie hieß er eigentlich wirklich?
»Ich werde ein neues Geschangsbuch schreiben«, nuschelte Mel. »Ich brauche neue Muschik für meine Gedischte.«
Er war fest entschlossen, diese Muschik noch vor dem Morgen zu komponieren. Gina hätte ihn liebend gern gewähren lassen – sie bezweifelte, dass er auch nur die nächsten Minuten überstehen würde, ohne umzukippen –, nur dass Mel auf einem
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