Wolfsgesang - Handeland, L: Wolfsgesang
wieder mich an.
Ich schüttelte den Kopf. Ich würde nicht über meine Gefühle für Damien sprechen. Nicht jetzt. Vermutlich niemals.
„Hector hat mir gesagt, dass du und Will es nicht mehr von Cora zurückschaffen würdet.“
„Das hätten wir um ein Haar auch nicht“, bestätigte Will.
„Was ist passiert?“
„Mein Auto hat inzwischen eine ziemliche Ähnlichkeit mit deinem.“
„Sie haben euch angegriffen?“
„Als wir auf halber Strecke zwischen Coras Haus und Crow Valley waren. Zum Glück hatte Jessie jede Menge Waffen und noch mehr Munition dabei.“
Jessie tätschelte ihre Magnum. „Vorbereitet zu sein, zahlt sich wirklich aus.“
„In dir schlummert ja eine echte Pfadfinderin.“
„Wir haben ziemlich viele tote Wölfe zurückgelassen.“
„Ihr habt sie nicht verbrannt?“
„Wir wollten nicht aus dem Auto aussteigen. Da draußen waren noch mehr.“
Ich nickte. „Habt ihr zufälligerweise eine Krähe bemerkt?“
Will runzelte die Stirn. „Sie hat sich auf die Leichen gesetzt. Hat angefangen, zu picken. Ein Aasfresser.“
„Das war Hector.“
Jessie und Will wechselten einen Blick.
„Du solltest uns besser alles erzählen.“
Als ich fertig war, sagte er: „Das ist nicht gut.“ Er breitete die Hände aus. „Aber, hey wenn dieser Job einfach wäre, würde ihn jeder machen.“
Das entlockte mir ein Lachen.
„Mandenauer?“
Ich riss den Kopf herum. Jessie hatte das Handy am Ohr.
„Sie sollten lieber nach Crow Valley kommen. Leigh wurde gebissen.“
Sie lauschte noch einen Moment, dann legte sie auf.
„Verdammt noch mal, Jessie, er wird sich nur aufregen. Was kann er schon tun?“
„Ich schätze, das werden wir sehen. Weil er nämlich schon auf dem Weg ist. Und er bringt Dr. Hanover mit.“
36
Ichwolltefragen,wasEdwardgesagthatte.Ichhoffte,dassernichtkam,ummichzuerschießen.Wennichschonsterbenmusste,wollteich,dassJessieesmachteundnichtEdward.ErwirkteinletzterZeitsozerbrechlich.MeinTodwürdeihmnichthelfen.MeinToddurchseineHandwürdeihmzweifellossogarschaden.
Ich wollte fragen, bekam aber nicht die Gelegenheit. Als wir uns hinsetzten, um einen Plan auszuarbeiten, wurde es im Zimmer plötzlich kalt und dunkel. Ich hörte die Bäume rascheln, obwohl die Fenster und Türen geschlossen waren. Ich roch Blätter und Tannennadeln.
Ich war hungrig. Vollkommen ausgehungert. Mir knurrte der Magen, oder vielleicht kam das Geräusch aus meinem Mund. Ich war mir nicht sicher. Ich musste essen, oder der Hunger würde mich verzehren. Der Wahnsinn flackerte am Rand meines Bewusstseins entlang. Fressen. Blut. Fleisch.
Wie durch einen Nebelschleier spürte ich, dass ich vom Sofa auf den Boden glitt. Damien war da und hob mich hoch, trug mich zum Bett. Ich drehte den Kopf zu seinem Hals, aber er roch nach Wolf, nicht nach Mensch. Ich witterte frisches Fleisch in der Nähe. Mein Blick fiel auf Jessie.
Ihre Augen verengten sich. „Denk noch nicht mal dran.“
Aber das tat ich. Der Hunger war ein lebendiges, atmendes, peinigendes Ding in meinem Magen. Halb erwartete ich, dass es hervorbrechen und jeden in meiner Nähe verschlingen würde. Ich legte die Hände auf den Bauch und stöhnte. Aber der Laut, der aus meiner Kehle drang, war ein ganz anderer.
Ich verstand jetzt, wie dieser Hunger geistig gesunde Menschen in den Irrsinn treiben konnte. Ich war ihm selbst schon ein bisschen verfallen. Dann erfasste das Fieber meinen Körper und versengte ihn wie ein Feuer. Meine Haut brannte und stach, während Dunkelheit meinen Geist umnebelte.
Ich erwachte im Wal d – nackt, allein, mit Blut besudelt. Mein Hunger war weg, mein Magen aufgebläht. Im Osten ging gerade die Sonne auf. Ich hatte keine Ahnung, wo ich war. Ich erinnerte mich an nichts von dem, was ich getan hatte.
Und es interessierte mich auch nicht.
Das war das Seltsamste daran. Aller Wahrscheinlichkeit nach hatte ich meine Freunde, vielleicht sogar meinen Geliebten gefresse n – obwohl ich bezweifelte, dass Damien stillgestanden hätte, damit ich mich an ihm gütlich tun konnte. Zumindest nicht im wörtlichen Sinn.
Aber jetzt, wo der Hunger besänftigt war, interessierte mich nichts mehr, als sicherzustellen, dass das nächste Mal, wenn er kam, ich jede Menge Menschen hatte, die ich jagen konnte.
Ich rannte durch den Wald, fühlte die Brise auf meiner Haut, in meinen Haaren. Ich ergötzte mich an der Erde unter meinen Füßen. Ich sprang in einen Fluss und wusch das Blut ab, dann legte ich mich in die Sonne und ließ das
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