Wolfsgesang - Handeland, L: Wolfsgesang
Wasser von meinem Körper rinnen. Die restlichen Tropfen trockneten in der Hitze, während ich in den Schlaf dämmerte.
Als ich aufwachte, drückte sich jemand in Löffelchenstellung von hinten gegen mich. Ich drehte mich um und entdeckte Hecto r – ebenso nackt wie ich und erigiert. Er küsste mich, und während er das tat, verwandelten wir uns beide.
Ich setzte mich kerzengerade im Bett auf. Oder zumindest versuchte ich es. Jemand hatte mich gefesselt. Schon wieder.
Ich schwitzte, zitterte, weinte, aber ich war nicht im Wald. Offensichtlich war ich das nie gewesen.
„Was ist passiert?“
Ich sank aufs Kissen zurück und drehte den Kopf zur Seite. Jessie saß auf einem Stuhl.
„Töte mich“, keuchte ich. „Versprich es mir.“
„Das habe ich schon.“
Ich schloss die Augen. „Es ist schrecklich, Jessie. Ich will nicht so sein.“
„Ich weiß.“
Wir saßen schweigend nebeneinander. Ich hielt die Augen geschlossen, bis ich aufhörte, mich mit Hector im Wald zu sehen, aufhörte, schreckliche Ding e … zu schmecken, aufhörte, Schreie zu hören, die es nie wirklich gegeben hatte. Zumindest noch nicht.
„Wo sind die Männer?“, fragte ich.
„Weg.“
„Was?“ Ich versuchte wieder, mich aufzusetzen. Die Fesseln rieben gegen meine ohnehin schon wunden Hand- und Fußgelenke. „Du hast doch nicht zugelassen, dass sie Hector verfolgen? Er wird si e – “
Ich brach ab. ‚Bei lebendigem Leibe fressen‘ war früher nur so ein Ausdruck gewesen; jetzt war er die Realität.
„Sie sind nicht auf der Jagd, sondern unterwegs, um Elise und Mandenauer abzuholen.“
„Aber sie sollten nicht allein sein.“
„Irgendjemand musste fahren, und ich hielt es für das Beste, wenn ich hierbleibe.“
Sie ließ ihr Motiv unausgesprochen. Damien würde mich nicht töten. Will könnte es vermutlich nicht.
Ich wollte wach bleiben, aber das Virus schwächte mich. Das Fieber bewirkte, dass ich mich hin- und herwarf. Die Veränderungen bereiteten mir Schmerzen. Mein Rücken brannte, was nichts Neues war. Aber mit meinen Knochen ging irgendetwas Seltsames vor sich. Sie knackten, knirschten und knarzten. Mir taten die Augen weh, und meine Nase kribbelte. Meine Zähne schienen zu groß für meinen Mund zu sein.
Ich driftete zurück in die Leere, in der Hector wartete. Meine Träume, Fantasien oder was auch immer zur Hölle sie waren, blieben so ziemlich dieselben. Blut. Tod. Ein bisschen Sex in Hundestellung.
Als ich erwachte, fiel ein silberner Schimmer durch die Fenster und über mein Bett.
Der Mond war kühl. Er linderte das Fieber, besänftigte mein rasendes Herz, rief mich zu sich, damit ich nackt und lebendig in seinem Licht tanzte.
Gemurmel auf der Veranda. Meine Ohren stellten sich auf scharf. Ich konnte alles verstehen, was gesagt wurde.
„Das hier könnte sie umbringen.“ Ich erkannte die Stimme als die von Dr. Elise Hanover wieder. „Wir haben das Serum bislang noch nicht getestet.“
Ich hatte die Frau noch nie gesehen, sondern nur am Telefon mit ihr gesprochen. Ich sah sie auch jetzt nicht, abgesehen von einem schmalen Schatten unter all den anderen Schatten, die sich auf der Veranda drängten.
„Wir werden es jetzt testen.“
Das war Edwar d – wie immer ruhig und kontrolliert, ganz unabhängig von der Situation.
„Ich werde nicht zulassen, dass ihr sie tötet, auf die geringe Chance hin, sie zu retten“, beharrte Damien.
„Sie haben das nicht zu entscheiden.“
„Aber ich!“, rief ich.
Die Gruppe verstummte, dann kamen sie einer nach dem anderen herein.
„Die ganze Mischpoke“, murmelte ich.
Jessie, Will, Edward, Elise und Damien blieben in der Nähe der Tür stehen, so als hätten sie Angst, mir zu nahe zu kommen. Ich wollte den Grund lieber nicht wissen.
Elise bewegte sich als Erste; sie kam in Stöckelschuhen von der Farbe feinen Porzellans über den Holzboden getrippelt. Ihre Seidenstrümpfe waren farblos, ihr Anzug von einem reinen Seegrün.
Sie hätte ein Model sein könne n – groß und gertenschlank wie sie war, mit ihrem platinblonden Haar, das lang gewesen wäre, wenn sie je den engen, an ihren Nacken zementierten Knoten gelöst hätte.
Ihre Haut hatte dieselbe Schattierung wie ihre Schuhe; ihre Augen waren dunkelblau, fast schon violett. Ihr Gesicht war makellos. Und dann besaß sie auch noch einen Doktortitel. Das Leben war einfach nicht fair.
„Ich habe ein Serum entwickelt“, erklärte sie.
Ihre Stimme war genauso hinreißend wie sie selbs t – dunkel,
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