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Wolfsgesang - Handeland, L: Wolfsgesang

Wolfsgesang - Handeland, L: Wolfsgesang

Titel: Wolfsgesang - Handeland, L: Wolfsgesang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lori Handeland
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–, und jedes einzelne hatte sie geprägt.
    Sie trug ein strahlend weißes T-Shirt, das in einem langen, farbenprächtigen Rock steckte. Jeden ihrer Finger zierte ein Ring. Silber funkelte um zwei ihrer Zehen. An einem Ohr hingen drei Ohrringe, am anderen zwei, und an ihren schmalen Handgelenken klimperten Armreifen.
    Sie lächelte nicht, sondern musterte uns mit ernsten, dunklen Augen. Dann drehte sie sich um und verschwand in ihrem Haus, ließ die Tür jedoch hinter sich offen.
    „Ich dachte, sie wäre alt“, flüsterte Jessie.
    „Das ist sie auch“, flüsterte Will zurück. „Mein Volk altert in Schönheit, im Gegensatz zu deinem.“
    Jessie trat ihm gegen den Knöchel, dann folgte sie ihm nach drinnen.
    Die Hütte war ein Museum. Indianische Kunst schmückte die Wände, füllte die Regale und bedeckte die Tische. Ich war mit den Künstlern nicht vertraut, aber die meisten der Bilder und Skulpturen zeigten Tier e – Bären, Elche, Vögel, Kojoten und natürlich Wölfe.
    Auf einem Regal entdeckte ich eine Kachinapuppe, die, wie ich wusste, nicht von den Ojibwa stammte. Ich nahm an, dass Coras Sammlung sämtliche nordamerikanischen Stämme repräsentierte. Ich hätte mir das alles nur zu gern genauer angesehen, aber wir hatten nicht die Zeit.
    Hier und da brannten Kerzen. In einem Tongefäß glomm etwas. Das Zimmer roch gleichzeitig nach frisch geschnittenem Gras und Neuschnee in einer frostigen Winternacht. Wie war das möglich?
    Sie bedeutete uns, auf Möbelstücken Platz zu nehmen, die die Farben der Erde und des Himmels während des Sonnenuntergangs wiedergaben. Mahagonibraun, Beige, Azurblau, Rostorang e – der Raum verströmte gleichzeitig Ruhe und Energie.
    Cora saß auf einem Stuhl mit gerader Rückenlehne auf der anderen Seite eines eichenen Kaffeetischs, dessen einzige Zierde eine rauchende, lachsfarbene Schale war. Aus der Nähe konnte ich jetzt die winzige Flamme im Zentrum sehen, die etwas umgab, das wie Stroh aussah. Eine definitive Brandgefahr.
    Sie blickte uns noch immer mit demselben ernsten Ausdruck an. Ich hatte das Gefühl, als könnte sie in meinen Kopf sehen und meine Gedanken lesen. Ich strengte mich wie verrückt an, sie rein zu halten, aber je mehr ich mich anstrengte, desto unreiner wurden sie.
    Aber was erwartete ich denn, so, wie ich meinen Nachmittag verbracht hatte?
    „Sie kennen sich mit Voodoo aus?“, stieß Jessie hervor.
    Wills Seufzen klang gequält. „Jess“, sagte er mahnend. „Sei nicht so vorlaut.“
    Sie starrte ihn fassungslos an. „Das soll wohl ein Witz sein.“
    Er sah sie streng an. Erstaunlicherweise setzte sie sich wieder auf die Couch, verschränkte die Arme vor der Brust, legte ein Knie über das andere und verstummte.
    „Es tut mir leid, n’okomiss . Sie versteht nicht.“
    Cora akzeptierte die Entschuldigung mit einem winzigen Nicken. Ihre Ohrringe schaukelten und verhedderten sich in ihrem langen, schwarzen Haar. Es herrschte wieder Stille.
    „Man hat dich gezeichnet“, murmelte sie und richtete den Blick auf mich.
    Ich schrak zusammen, und meine Narbe fing an zu brennen. Sie hatte sich seit dem Morgen gnädig ruhig verhalten.
    „Gezeichnet durch den Dämon. Du gehörst ihm. Er ist gekommen, um dich zu holen.“
    Jessie warf mir einen schnellen, besorgten Blick zu. Ich konnte nichts weiter tun, als in Coras Augen zu starren. Woher wusste sie das?
    „Du hast gar nicht erwähnt, dass sie eine Hellseherin ist, Kumpel.“
    „Ich bin, was ich bin“, psalmodierte Cora, wobei sie mich weiter anstarrte. „Ihr wäret gut beraten zuzuhören.“
    „Das täten wir ja“, erwiderte Jessie, „wenn Sie uns irgendwas Neues zu erzählen hätten. Sie wurde vom Dämon gezeichnet; er wird kommen. Das wissen wir alles.“
    „William, deine Frau muss lernen zu schweigen.“
    „Viel Glück dabei“, murmelte er.
    Cora griff in ihre Rocktasche, dann vollführte sie eine schnelle Bewegung zu der Schale in der Mitte des Tischs. Die Flamme schoss fast bis zur Decke hoch.
    Jessie fing an zu husten. Als sie fertig war, öffnete sie den Mund, aber es kam kein Ton heraus.
    „Oh-oh“, sagte Will.
    Cora lächelte nur.
    Jessie griff sich an den Hals, schüttelte den Kopf und gestikulierte wie wild.
    „Du wirst deine Stimme zurückbekommen, wenn du mein Haus verlässt. Bis dahin verhalte dich ruhig, sonst sorge ich dafür.“
    Jessie erstarrte, dann setzte sie sich wieder und nahm Wills Hand. Er schloss die Finger um ihre.
    „Was ist es, das ihr zu wissen wünscht?“,

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