Wolfsgesang - Handeland, L: Wolfsgesang
ich bezweifelte es.
„Ist dir noch irgendwas eingefallen, während Schwester Unheimlich ihren Sermon gehalten hat?“
Ich weihte sie in meine Theorie über Hectors Feinde ei n – zierliche, blonde Frauen.
Jessie ließ sich das kurz durch den Kopf gehen. „Das macht Sinn, abgesehen von einer Sache.“
„Welcher?“
„Warum hat er dich nicht getötet?“
Eine ausgezeichnete Frage.
„Ichschätze,wirkönntenihnfragen,wennwirihnfinden.OderdasGanzeeinfachvergessenundihninsJenseitsbefördern.“
„Ich bin für die zweite Option.“
„Ich auch.“
Wir diskutierten alles durch, was wir von Cora erfahren hatten, aber uns kam keine brillante Idee, wie wir die Pläne des Kraftverzehrers vor dem Jagdmond stoppen könnten. Solange Cora sich nicht mit einem besseren Vorschlag bei uns meldete, würden wir einfach weiter Wölfe erschießen und auf unser Glück vertrauen müssen.
Nicht der beste Plan, aber der einzige, den wir hatten.
Als wir ankamen, stand der Mond am Himmel, und die Bar war gut besucht. Wie üblich schallte Jazz aus den Fenstern. Zum Glück schlief ich tagsüber. Hin und wieder zumindest.
„Ich fahr zu deiner Wohnung zurück, um noch ein paar Recherchen anzustellen“, sagte Will.
Jessie nahm ihr Gewehr und die Munition aus dem Kofferraum. „Leigh kann mich später dort absetzen, oder?“
Ich nickte. Will raste, eine Wolke aus Staub und Kies hinter sich aufwirbelnd, davon.
Ich schaute zur Kneipentür, bezähmte jedoch den Drang hineinzugehen, „Hallo“ zu sagen und Damien zu küssen. Mit Jessie im Nacken wäre das schwer zu bewerkstelligen.
„Ich hole meine Sachen.“ Ich lief nach oben zu meinem Apartment.
Jessie folgte mir. „Einer von uns sollte Mandenauer sagen, was hier los ist.“
Sie hatte recht. Ich rief an, aber es ging niemand ran, deshalb hinterließ ich eine Nachricht, in der ich in groben Zügen unseren Besuch bei Cora umriss. Ich nannte ihm außerdem die Einzelheiten zu dem Bergwerk, erkundigte mich, ob er wisse, was es damit auf sich habe, dann schloss ich mit der Frage: „Wir haben ihr Lager noch immer nicht gefunden. Irgendwelche Ideen?“
Als ich auflegte, wölbte Jessie eine Braue.
„Was ist?“
„Du hast es ihm nicht gesagt.“
„Doch, das hab ich. Du hast mich doch gehört.“
„Du hast ihm das mit Hector nicht gesagt.“
„Wir wissen nicht sicher, ob er es ist.“
„Ich schon.“
Na, wenigstens eine von uns.
„Du solltest es ihm sagen, Leigh.“
„Nein. Und ich will auch nicht, dass du es ihm sagst.“
Anfangs hatte ich mir gewünscht, dass Edward zurückkommen und mir helfen würde, aber jetzt wollte ich, dass er weit, weit weg blieb. Falls es sich bei unserem Kraftverzehrer um Hector handelte, würde der nichts lieber tun, als den Mann, der mich ihm weggenommen hatte, zu töte n – und das langsam.
„Edward hat mich angewiesen, die Sache in den Griff zu bekommen. Und das werde ich.“
Jessie starrte mich noch einen Moment länger an; dann nickte sie. Ich hatte das Gefühl, als wüsste sie genau, was ich dachte, ohne dass ich etwas sagen musste. Und ausgerechnet sie nannte Cora Kopway unheimlich.
Wenige Minuten später waren Jessie und ich auf dem Weg in den Wald. Eigentlich war es meine Aufgabe, sie zu trainieren, aber tatsächlich wusste sie genau, was sie zu tun hatte. Sie war eine bessere Fährtenleserin, als ich es je sein würde. Sie hatte schon zuvor mit Werwölfen zu tun gehabt. Ich konnte ihr nicht viel beibringen, was sie nicht längst beherrschte. Wenn wir hier fertig waren, würde sie mit Leichtigkeit einen eigenen Einsatz bewältigen.
Die Nacht war ereignislo s – wenn man vier tote und ein paar verfehlte Wölfe ereignislos nennen will. Aber wir sahen weder den weißen noch den braunen Wolf.
Wir waren bis eben erfolglos ein paar Weibchen gefolgt, die wir vor über einer Stunde aus der Ferne gesehen hatten. Da ihre Spur einen knappen Kilometer von der Bar entfernt endete, beschlossen wir, für heute Schluss zu machen, auch wenn es noch nicht dämmerte. Wir stiegen in mein Auto, und ich fuhr Jessie in die Stadt.
„Fünf Tage noch bis zum Vollmond“, sagte sie.
„Ich kann selbst zählen.“
„Schlechte Laune wegen Schlaf- oder wegen Sexmangels?“
Ich machte mir nicht die Mühe zu antworten.
„Denk dran, was diese hexenhafte Frau gesagt ha t – diese Kreatur kann sich auf Arten verwandeln, von denen wir noch nicht mal wissen.“
„Soll heißen?“
„Damien könnte Hector sein.“
Ich kam fast von der Straße
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