Wolfsgesicht
Ersteres«, sagte er in scherzhaftem Tonfall. »Nein, pass auf.« Er zog den Zeitungsartikel aus der Jacke und zeigte ihn Sandy. »Schau dir das Bild an. Kommt er dir irgendwie bekannt vor?«
Sandy nahm den Ausschnitt, überflog die Überschrift und konzentrierte sich dann auf das Foto. »Der Mann im Vordergrund? Oder der dahinter?« Sie schaute genauer hin und sprach weiter, bevor Justus geantwortet hatte. »Doch, ja, den da vorne mit der Narbe habe ich schon mal gesehen, glaube ich. Es ist nur eine Fotokopie und das Bild ist alt. Aber die Halbglatze, die Augen und vor allem die Narbe, das muss er gewesen sein!« Sie reichte ihm den Artikel zurück.
»War er hier?«, fragte Justus aufgeregt.
Sandy nickte. »Ja, irgendwann in den letzten Tagen. Er kam herein und hat sich umgeschaut.«
»Wollte er irgendetwas wissen?«
»Nein. Gesagt hat er nichts. Mir fiel nur auf, dass er …« Sie stockte.
»… dass er sich um das Schaufenster gekümmert hat«, vollendete Justus.
»Richtig«, sagte sie. »Ich dachte, er wollte noch einmal die Auslage anschauen. Später hat er noch mit Mr Stapelton gesprochen. Ich habe es zufällig mitbekommen. Über …« Wieder stockte sie. »Über Ferngläser«, fuhr sie fort. »Er sagte, dass er unten in den alten Häusern an der Steilküste wohnt und Vögel beobachten will.«
»Mensch, Sandy«, sagte Justus. »Das muss er gewesen sein. Wir werden …« Weiter kam er nicht, denn plötzlich war Mr Stapelton hinter ihnen aufgetaucht. »Miss Allen«, sagte er, »würden Sie bitte noch das neue Tauchgerät auspacken?« Er hüstelte. Mit Ironie fuhr er fort: »Und wenn es geht, noch bevor wir heute Abend wieder schließen.«
Jetzt erst erkannte er Justus. »Ach, Sie sind das! Tut mir leid, Mr, äh, Jonas, glaube ich, aber Sandy wird nun mal nicht fürs Herumstehen bezahlt.«
Sandy rollte mit den Augen und drehte sich herum. »Ich komme, Mr Stapelton«, sagte sie, ohne sich ihre Verärgerung über die plötzliche Störung anmerken zu lassen.
»Ich rufe dich an«, versprach Justus. »Vielleicht wird das Wetter ja besser!« Sie nickte und zwinkerte ihm zu.
Rechtzeitig um halb elf traf Justus wieder in der Zentrale ein. Peter und Bob erwarteten ihn bereits, sodass er gleich die heiße Neuigkeit loswerden konnte. Mit Rodder hatten sie wirklich ins Schwarze getroffen.
Nach einem kurzen und heftigen Disput entschieden sie, Inspektor Cotta von ihrem Verdacht zu erzählen. Justus hätte Rodder zwar gerne selbst unter die Lupe genommen, aber Peter und Bob erschien dieser Mann seit dem Ereignis am Vorabend als zu gefährlich. Zumal er nun vermutlich mit einer tödlichen Waffe ausgestattet war. Bob hatte ohnehin keine Zeit, da er seiner Mutter versprochen hatte, sie zum Flughafen zu begleiten, um seine Cousine abzuholen.
Missmutig wählte Justus Cottas Durchwahlnummer. Der Inspektor meldete sich nach dem dritten Klingelzeichen.
»Justus Jonas hier. Sir, vermutlich können wir Ihnen das Wolfsgesicht liefern«, sagte der Erste Detektiv. »Aber nur, wenn Sie uns dann über die weiteren Entwicklungen aktuell auf dem Laufenden halten.«
Cotta schien etwas zu entgegnen, denn Justus machte Anstalten, das Gespräch zu beenden. »Also gut, Inspektor, dann müssen wir eben selbst ran …«
Bob sprang auf, um auf Lautsprecher zu schalten.
»Okay, Jungs«, antwortete Cotta gerade, »ihr seid wirklich stur. Ich informiere euch, was weiter passiert. Versprochen. Wenn ihr auf eigene Faust startet, bekommt ihr bei so einem Typ doch nur Probleme. Also, raus mit der Sprache!«
Justus erzählte, was sie entdeckt hatten.
Cotta war beeindruckt. »Das hört sich gut an«, sagte er. »Wenn der wirklich von New York hierhergekommen ist … Wir werden sofort nach Rodder fahnden.«
Justus hängte ein. »Na, das war es dann wohl«, sagte er verdrossen. »Wenigstens haben wir den entscheidenden Tipp gegeben und nicht Mrs Polizeipsychologin Harding.« Er schleppte sich zu einem Sessel. Dass der vielversprechende Fall nun so schnell zu Ende sein sollte, gefiel ihm gar nicht. Immerhin dauerten die Ferien noch ein paar Tage. Nun gut, er konnte sich immer noch ums Tauchen kümmern.
Bob verabschiedete sich, er musste nach Hause. Peter wollte Justus noch etwas Gesellschaft leisten, und da sie nichts zu tun hatten und für Justus der Tag ohnehin verdorben war, beschlossen sie, Tante Mathilda beim Bügeln zu helfen. Erfreut und ausgesprochen überrascht nahm sie das Angebot an. Dafür wurden sie mit einem ausgiebigen
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