Wolfsglut - Handeland, L: Wolfsglut
will zurückrufen.“
„Okay. In der Zwischenzei t … “ Er nickte zu dem Haus vor uns. „Sollen wir?“
Wir stiegen aus und gingen auf die Tür zu, aber noch bevor wir sie erreichten, kam eine zierliche ältere Frau aus Murphy’s Bar getorkel t – der Kneipe, die rund um die Uhr geöffnet hatte. Jetzt schien sie nicht nur geöffnet, sondern auch knallvoll zu sein.
Die Frau hielt sich nicht mit einer Begrüßung auf. „Was unternehmen Sie wegen unseres Problems?“ Sie winkte mit einer kreidebleichen, dick geäderten Hand in Richtung Bar. „Wir sind sehr besorgt.“
Dem Geruch ihres Atems nach ertränkte sie gemeinsam mit dem Rest der Einwohnerschaft ihre Besorgnis in Alkohol.
Ich blickte mich um. Alle anderen Läden hatten Schilder mit der Aufschrift GESCHLOSSEN in den Fenstern; die Straße war bis auf mich, Nic und die kleine alte Frau menschenleer. Vielleicht waren tatsächlich alle in der Kneipe versammelt.
„Menschen verschwinden spurlos!“ Ihre Stimme wurde mit jedem Wort lauter und schriller. „Sheriff Stephenson wurde ermordet. Was für ein Irrer würde eine Leiche stehlen?“
Basi l – oder vielleicht auch der Dokto r – hatte die Einwohner offensichtlich eifrig mit unserer Lüge gefüttert, um sie zu beruhigen, nur dass sie alles andere als ruhig wirkten.
„Sind Ihnen irgendwelche Fremden in der Stadt aufgefallen, Ma’am?“
Ich starrte Nic an. Gute Idee . Es war wirklich nützlich, ihn an meiner Seite zu haben.
„Abgesehen vom FBI ?“
„Ja.“
„Meine Augen sind nicht mehr so gut wie früher. Da ist ein Mann vorbeigekommen.“ Sie runzelte die Stirn. „Hat mich an Thor, den Donnergott, erinnert.“
In der Kneipe ging ein Glas zu Bruch, und die Frau schlug sich keuchend die Hand vor die Brust. Sie war nervlich am Ende. Ich konnte es ihr nicht verdenken.
Diese Stadt hatte noch nie einen Mord erlebt, und nun gab es plötzlich mehrere verschollene Einwohner, die vermutlich tot waren, und einen toten Sheriff, der jetzt verschollen war.
„Was wird das FBI wegen des letzten Mordes unternehmen?“, verlangte sie zu wissen.
„Alles, was wir können, Ma’am.“ Nic versuchte, sie wieder in die Bar zu bugsieren, aber sie wollte nicht.
„Zwei in einer Nacht. Was geschieht nur mit dieser Welt?“
Nic hielt inne. „Zwei was?“
„Zwei Morde. Sie sind ja nicht gerade auf dem Laufenden, mein Junge.“
„Zwei?“ Nic sah mich an, und ich zuckte mit den Achseln. „Sheriff Stephenson un d … ?“
„Susie Grant. Die Rezeptionistin des Doktors.“
Wir ließen die alte Dame auf der Straße stehen und rannten zur Arztpraxis.
„Er ist nicht da“, rief sie uns hinterher.
Wir blieben stehen und drehten uns zu ihr um.
„Er ist weggefahren, um die Leiche zu untersuchen.“ Sie legte das Gesicht in nachdenkliche Falten. „Ich weiß nicht, wohin.“
„Wo ist Sheriff Moore?“, fragte Nic.
„Ich hab ihn nicht gesehen.“
Wir überprüften die Praxis trotzdem. Eintöniges Wartezimmer mit fleckigem Teppichboden, unbequeme Stühle, ramponiertes Spielzeug in einem Wäschekorb. Aber weder ein Arzt noch sonst jemand war da, deshalb hinterließ Nic eine Nachricht auf dem Schreibtisch.
Die Polizeiwache war ebenfalls wie ausgestorben. Keine Spur von Basil, noch nicht mal eine Nachricht auf der Informationstafel.
Nic fluchte. „Man sollte meinen, dass er uns kontaktiert hätte, um uns über diese weitere Leiche zu informieren.“
„Oder daran gedacht hätte, uns eine Wegbeschreibung zu hinterlassen.“
„Oder das.“ Nic versuchte es auf Basils Handy und beschimpfte die Mailbox.
„Sheriff“, sagte er dann kurz angebunden. „Hier spricht Agent Franklin. Wir müssen uns unterhalten. Rufen Sie mich an oder kommen Sie so schnell wie möglich ins Blockhaus.“
Nachdem er aufgelegt hatte, blieben wir ratlos in der Mitte des Raums stehen. Was jetzt?
„Thor, der Donnergott?“, überlegte Nic laut. „Wer ist das? Irgendein Schwarzer Mann aus den nördlichen Wäldern?“
„Eher jemand, der ihr nach zu vielen Cocktails erscheint. Vermutlich irgendeine norwegische Mythengestalt, denn es soll hier in der Gegend viele Norweger geben, zumindest habe ich das gehört. Wir könnten es recherchieren, aber eigentlich interessiert es mich nicht.“
„Dito. Vielleicht sollten wir uns ein wenig aufs Ohr hauen.“
„Es ist acht Uhr morgens.“
„Bist du nicht müde?“ Nic musste die Erschöpfung in meinem Gesicht gesehen haben, denn er wartete nicht auf eine Antwort. „Wir können
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