Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wolfsherz

Wolfsherz

Titel: Wolfsherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
Geld nicht, verdammt noch mal«, antwortete Stefan. Es fiel ihm immer schwerer, auch nur halbwegs ruhig zu bleiben. Die Situation war grotesk, aber es war absolut nichts Komisches daran. Blitzschnell überlegte er, den angebotenen Scheck vielleicht tatsächlich zu nehmen; nicht um ihn einzulösen, sondern einfach nur, um seine Ruhe zu haben und irgendwie aus dieser verrückten Geschichte herauszukommen. Aber das würde bedeuten, mit diesem kurz vor dem Ausrasten stehenden Nervenbündel zurück zum Wagen zu gehen, zu warten, bis er den Scheck ausgefüllt hatte. Gott allein mochte wissen, was in dieser Zeit passieren konnte. Und so ganz nebenbei würde es auch bedeuten, ihn und seine Begleiterin in einer Sicherheit zu wiegen, die es nicht gab. So sagte er: »Vergessen Sie einfach, daß Sie mich je gesehen haben, okay?« und beging damit einen fatalen Fehler.
    Er begriff es, noch bevor er den Satz zu Ende gesprochen hatte. Der Mann machte zwei Schritte: einen hinein in die Aufzugkabine, den anderen über die Grenze zwischen Angst und Aggressivität.
    »Sie verdammter Mistkerl!« schnaufte er. »Es macht Ihnen Spaß, andere fertigzumachen, wie? Geld interessiert Sie nicht. Sie wollen sehen, wie andere leiden, wie? Aber nicht mit mir!« Und noch bevor Stefan wirklich begriff, was geschah, machte der Mann einen weiteren Schritt, streckte die Hände aus und packte ihn grob bei den Jackenaufschlägen, um ihn zu schütteln oder gegen die Aufzugwand zu stoßen. Er hätte es gekonnt. Er war ein gutes Stück größer als Stefan und vermutlich sehr viel stärker, und Panik und Zorn mußten ihm zusätzliche Kräfte geben. Doch er beging einen Fehler: Indem er Stefan so grob packte und in die Höhe riß, daß er gezwungen war, auf den Zehenspitzen zu stehen, zwang er ihn auch, ihm direkt in die Augen zu blicken, und dieser Moment, dieser - wortwörtliche -Augenblick, änderte alles. Stefan - etwas in ihm, das Ding von der anderen Seite der Drehtür - las die Herausforderung in seinen Augen und reagierte darauf.
    Beinahe verblüfft, aber auch von einer fast schon wissenschaftlichen Neugier erfüllt, was als nächstes geschehen würde, folgte sich Stefan selbst dabei, wie er die Hände zu Fäusten ballte und die Arme dann mit einem Ruck hochriß. Seine Unterarme trafen die Handgelenke des anderen und sprengten seinen Griff; gleichzeitig drehte er den Oberkörper nach rechts und versetzte ihm so einen Stoß mit der Schulter, der ihm nicht nur die Luft aus den Lungen preßte und aus seinem wütenden Schnauben ein überraschtes Japsen machte, sondern ihn auch bis zur Lifttür zurücktrieb. Die beiden Türhälften, die sich gerade hinter ihm hatten schließen wollen, um sie beide samt ihrer Auseinandersetzung vier Etagen weit in den Untergrund zu tragen, kamen mit einem Ruck zum Stehen und glitten dann widerwillig auseinander. Und es war noch nicht vorbei. Noch immer ohne sein Zutun - mehr noch, eigentlich gegen seinen Willen - setzte Stefan dem Mercedesfahrer nach, hob die Arme und stieß ihm blitzschnell und sehr hart die flachen Hände vor die Brust. Der Mann keuchte überrascht, taumelte aus dem
    Aufzug heraus und stolperte, mit wirbelnden Armen um sein Gleichgewicht kämpfend, nach hinten. Er hätte diesen Kampf zweifellos verloren, wäre er nicht gegen einen Wagen geprallt.
    »Das reicht!« fauchte Stefan. »Zum allerletzten Mal: Lassen Sie mich in Ruhe! Ich habe nichts mit Ihnen zu tun! Verschwinden Sie, oder es passiert was!«
    Der Lift schloß sich; schnell, aber nicht schnell genug, daß Stefan nicht sah, daß es noch immer nicht vorbei war. Sein vollkommen warnungsloser Wutausbruch hatte nicht nur ihn selbst verblüfft, sondern auch den anderen. Für eine Sekunde stand er einfach reglos und mit ungläubig aufgerissenen Augen gegen den Wagen gelehnt da, der seinen Sturz aufgefangen hatte, aber dann erwachte wieder dieses Glitzern in seinen Augen, und Stefan begriff endgültig, daß es nicht nur die Reflexion des Scheinwerferlichtes gewesen war. Die Herausforderung war gegenseitig. Der andere würde nicht aufgeben, sondern zurückkommen, und wenn er diesmal die Liftkabine betrat, dann wurden sie kämpfen. Und dann würde sich entscheiden, wer gewann...
    Die Entscheidung fiel nie. Die Aufzugtüren schlössen sich im wahrsten Sinne des Wortes einen Sekundenbruchteil, bevor der Mercedesfahrer sie erreichte. Sein wütender Schrei wurde nicht abgeschnitten, aber um neun Zehntel gedämpft und war plötzlich ein Laut, der aus jenem

Weitere Kostenlose Bücher