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Wolfsherz

Wolfsherz

Titel: Wolfsherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Situation war. Wenn der andere auch nur noch einen einzigen Schritt weiter auf ihn zutrat, eine weitere Herausforderung aussprach, eine falsche Bewegung machte... er war nicht sicher, ob er dem Drang dann noch widerstehen konnte, ihn einfach zu packen und auf ihn einzuschlagen.
    Aber der gefährliche Moment ging vorüber, ohne daß etwas geschah. Vielleicht spürte der andere, was in Stefan vorging, wahrscheinlicher aber war, daß er es ihm einfach ansah. Der Sturm, der hinter seiner Stirn tobte, konnte nicht spurlos an seinem Gesicht vorübergehen. Zwei, drei Sekunden lang standen sie einfach da und starrten sich an, dann trat der andere einen Schritt zurück und senkte gleichzeitig den Blick, und irgendwie war es, als wäre die Herausforderung mit dieser Geste zurückgenommen.
    »Was wollen Sie?« fragte er, noch immer in scharfem Ton, aber jetzt trotzdem irgendwie anders. Zivilisierter?
    Wahrscheinlich, dachte Stefan. Er spürte, wie die unheimliche Woge von Gefühlen, die ihn für einen Moment fast übermannt hätte, erlosch wie der Lichtblitz einer Explosion, die für einen Moment gleißend hell aufloderte und dann verblaßte. Er wußte sogar, was mit ihm geschehen war. Für ein paar Augenblicke war er viel weniger Mensch als
Kreatur
gewesen, ein Geschöpf, das nur seinen Instinkten und antrainierten Reflexen gehorchte, nicht mehr seinem logischen Denken. Aber es war vorbei.
    »Nichts«, sagte er. »Bitte entschuldigen Sie. Es war... ein Mißverständnis.«
    Er konnte sehen, wie es im Gesicht des anderen arbeitete. Ganz offensichtlich
wollte
er ihm glauben, mit fast verzweifelter Macht, aber ebenso offensichtlich
konnte
er es nicht. Erst jetzt registrierte Stefan, daß die Hose, die der Mann noch immer mit einer Hand daran hinderte, ihm auf die Knie herunterzurutschen, zu einem auserlesen teuren Anzug gehörte, so wie auch der Wagen, aus dem er gekommen war, in der oberen Preisklasse rangierte. Warum er und seine Begleiterin auch immer dieses Parkhaus für ihre Liebesspiele ausgesucht hatten - es lag bestimmt nicht daran, daß sie sich kein Hotelzimmer leisten konnten. Und offensichtlich hielt er Stefan für einen anderen als den, der er war.
    »Es tut mir leid«, sagte er noch einmal. »Das Ganze ist mir sehr peinlich. Ich gehe jetzt besser.«
    Hastig fuhr er herum, entfernte sich geduckt ein paar Schritte von dem Mercedes und richtete sich dann auf, um mit so weit ausgreifenden Schritten auf den Aufzug zuzustürmen, daß er praktisch rannte. Er kam trotzdem zu spät. Jemand in einer anderen Etage des Kaufhauses mußte den Knopf gedrückt haben, der den Aufzug rief. Die Türen schlössen sich einen Sekundenbruchteil schneller, als Stefan die Hand ausstrecken konnte, um die Lichtschranke zu unterbrechen, und er konnte hören, wie die Kabine mit einem leisen Summen abfuhr.
    Stefan unterdrückte einen Fluch, fühlte sich einen Moment lang entsetzlich hilflos und drückte dann den Rufknopf so tief in seine Fassung, daß das Blut unter seinem Fingernagel wich; gleichzeitig aber wandte er auch nervös den Kopf, und er sah genau das, was er befürchtet hatte: Der Mercedesfahrer hatte seinen Schrecken mittlerweile offenbar vollends überwunden und eilte auf ihn zu. Und er war auch endlich auf die Idee gekommen, seinen Gürtel zu schließen, so daß er nicht mehr Gefahr lief, über seine eigene Hose zu stolpern. Auf seinem Gesicht lag ein Ausdruck, der Stefan nicht gefiel,
    »Warten Sie!« rief er. »Ich muß mit Ihnen reden!«
    Aber ich nicht mit dir!
dachte Stefan.
Verschwinde!
Komm nicht
hierher. Tu dir selbst den Gefallen und komm nicht hierher! Bitte!
    Wahrscheinlich hätte der Mann auch dann nicht auf diese Worte reagiert, wenn er sie laut ausgesprochen hätte. Er beschleunigte seine Schritte im Gegenteil sogar noch und näherte sich nun so rasch, daß Stefan gar keine Zeit mehr fand, noch irgend etwas zu tun. Sein Daumen hämmerte noch immer hektisch auf den Knopf neben der Tür ein, aber der erhoffte Erfolg blieb aus.
    »Bitte!« sagte der Mercedesfahrer. »Ich will nur mit Ihnen reden, mehr nicht!«
    »Hören Sie!« Stefan drehte sich nicht zu dem Mann herum, sondern wandte nur den Kopf und antwortete über die Schulter hinweg. »Es tut mir wirklich sehr leid. Ich kann nicht mehr tun, als mich bei Ihnen zu entschuldigen. Das Ganze war... nur ein dummes Mißverständnis, mehr nicht!«
    »Hat meine Frau Sie geschickt?« fragte der andere, geradeheraus, aber trotzdem in einem Ton, der bewies, wie schwer ihm diese

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