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Wolfsherz

Wolfsherz

Titel: Wolfsherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Schließlich sagte sie: »Sie ist nicht hier. Deine Frau auch nicht. Wo sind sie?«
    »Nicht da«, antwortete Stefan automatisch, nur, um sich im gleichen Sekundenbruchteil schon über seine eigene Reaktion zu ärgern. »Was geht Sie das an?« fügte er in schärferem Ton hinzu. »Wer sind Sie überhaupt? Was wollen Sie?«
    Doch statt auf eine dieser drei Fragen zu antworten, drehte sich Sonja wieder um und begann mit kleinen, schnellen Schritten im Zimmer auf und ab zu gehen. Sie rührte nichts an, sah aber ungeniert in Regale und Schränke, ließ ihren Blick prüfend über seinen Schreibtisch gleiten, lugte hinter die Couch und ließ sich einmal sogar in die Hocke sinken, um unter die Sessel zu spähen.
    Stefan blieb weiter unter der Tür stehen und sah der jungen Frau mit einer Mischung aus Fassungslosigkeit und Wut zu. Bei jedem anderen wäre ihm für dieses Benehmen nur ein einziges Wort eingefallen: Unverschämt. Und das war es auch, aber zugleich war da auch noch etwas; etwas nicht nur schwer sondern ganz und gar unmöglich in Worte zu fassendes, das ihn auf einer tieferen Ebene seines Bewußtseins so sehr erschreckte, daß es ihn zugleich auch lahmte. Er spürte eine Gefahr. Beim Anblick dieses schlanken, in seinen Bewegungen noch fast kindlich wirkenden Mädchens konnte er sich nicht einmal
vorstellen,
wie diese Gefährdung aussehen mochte, aber er spürte sie ganz deutlich, und er schrak davor zurück wie ein Tier vor dem Feuer, auch wenn es noch nie im Leben damit in Berührung gekommen war.
    Sonja hatte ihre Inspektion endlich beendet und blieb ungefähr fünf Sekunden reglos am Fenster stehen und blickte hinaus. Stefan war zu weit entfernt, um zu erkennen, was es unten auf der Straße zu sehen gab, aber er wußte es auch so. Sonja war nicht allein gekommen. Vielleicht hier herauf, aber unten vor dem Haus wartete garantiert der Bursche von heute morgen. Und vielleicht nicht nur er.
    »Warum ist sie nicht hier?« Sonja drehte sich zu ihm um und sah ihn an. Stefan hielt dem Blick ihrer irisierenden Augen für die gewaltige Zeit von beinahe einer Sekunde stand, dann machte er eine ärgerliche Handbewegung und trat vollends ins Zimmer hinein. Es war vollkommen absurd, aber er hatte plötzlich nicht mehr das Gefühl, sich in seiner eigenen Wohnung zu befinden, sondern auf fremdem Territorium. Wenn er sich nicht zusammenriß, dachte er, dann würde er Sonja in zehn Sekunden um Erlaubnis fragen, ob er sich bewegen durfte!
    »Meine Frau und Eva sind im Moment nicht da«, antwortete er unfreundlich, »aber ich wüßte auch nicht, was -«
    »Sie war noch niemals hier«, unterbrach ihn Sonja. »Diese Wohnung würde ihr nicht gefallen.«
    »Warum?« fragte Stefan. »Weil hier niemand versucht, sie umzubringen?« Sonja lächelte unerschütterlich weiter. Stefan war nicht einmal sicher, ob sie verstanden hatte, was er sagte. Geschweige denn, daß es sie interessierte.
    »Hast du etwas zu trinken?« fragte sie plötzlich. »Ich habe Durst.«
    Stefan zog eine Grimasse. »Aus diesem Grund gibt es in dieser Stadt Restaurants«, sagte er, und fügte praktisch im gleichen Atemzug und vollkommen widersinnig hinzu: »Kaffee? Oder lieber etwas Kaltes?«
    »Kaffee?« Sonja blinzelte. Er war jetzt sicher, daß sie nicht verstand, wovon er sprach. Was, zum Teufel, hieß Kaffee auf kroatisch?
    »Ich mache ihn rasch«, sagte er. »Ich wollte mir ohnehin eine Tasse aufbrühen. Nehmen Sie Platz. Wir sollten uns erst einmal beruhigen und dann noch einmal von vorne anfangen.«
    Er ging, aber nicht direkt in die Küche, sondern zuerst zurück zur Wohnungstür, um sie abzuschließen. Einem Impuls. folgend legte er auch noch die Kette vor. Der Kerl, den er am Morgen vor dem Haus gesehen hatte, sah zwar aus, als stünde er kurz vor dem Hungertod, aber er gehörte Stefans Einschätzung nach trotzdem zu den Typen, denen man zutraute, mit einem Messer im Rücken und drei Pistolenkugeln im Bauch noch ein Gemetzel unter den Besuchern eines Restaurants anzurichten.
    Sein Tun blieb Sonja natürlich nicht verborgen. Als er zurückkam und das Wohnzimmer durchquerte, um in die Küche zu gelangen, lächelte sie immer noch; aber es wirkte jetzt eindeutig spöttisch. Natürlich würden ihm weder das Schloß noch die Kette etwas nützen, wenn ihr Begleiter wirklich hereinwollte; beide mochten halten, aber die Tür bestand aus einer beschichteten Spanplatte, die sich selbst Stefan mit einem Fußtritt aufzubrechen zutraute. Dafür hatte er mit dem, was er

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