Wolfsherz
war ein eindeutiges
Ja..
Eine andere, sehr viel unangenehmere Möglichkeit war, daß er vor einer Zivilstreife geflohen war, die nach seinem kleinen Ausflug auf den Bürgersteig die Verfolgung hatte aufnehmen müssen. Aber dieser Gedanke hielt nur ungefähr eine Sekunde lang Stand. Zivilstreifen der Polizei fuhren selten in japanischen
Luxuslimousinen herum. Und außerdem würde es dann hier bereits von Streifenwagen nur so wimmeln.
Eine Zivilstreife der Polizei hätte ihn wahrscheinlich auch nicht warnungslos gerammt.
Stefan wurde so hart in die Gurte geworfen, daß der Schmerz in seiner Schulter regelrecht explodierte. Der Wagen schleuderte, machte aber gleichzeitig auch einen Satz nach vorne, weil Stefan beinahe versehentlich das Gaspedal bis zum Boden durchgetreten hatte. Er brüllte vor Schmerz, nahm den Fuß aber nicht vom Gas und ließ auch das Lenkrad nicht los. Trotz der üblen Mißhandlungen, die der BMW in den letzten Minuten hatte hinnehmen müssen, beschleunigte der Motor so kraftvoll, wie er es erwartete, und katapultierte den Wagen regelrecht über die Straße.
Stefan starrte fassungslos in den Rückspiegel. Der Honda fiel zurück; nicht sehr schnell, aber er
fiel
zurück. Nur einer der beiden Scheinwerfer war noch aufgeblendet. Der andere war beim Aufprall zerbrochen. Wie das Heck von Roberts BMW aussehen mochte, wagte sich Stefan gar nicht vorzustellen. Und er konnte auch nicht glauben, was er sah. Er war mindestens ein halbes dutzendmal willkürlich abgebogen, und er hatte die Straße hinter sich dabei ständig im Auge behalten. Wie, um alles in der Welt, hatten die Kerle ihn gefunden? Es war unmöglich!
Trotzdem holte der Honda bereits wieder auf, vermutlich, um ihn ein zweites Mal zu rammen, und diesmal vielleicht hart genug, um ihn von der Straße zu drängen oder den Wagen so stark zu beschädigen, daß er liegenblieb. Und das war nicht alles. Stefans schlimmste Vision wurde wahr: Kopf und Oberkörper des Beifahrers tauchten im Fenster auf. Der Mann hielt irgend etwas in der Hand. Stefan konnte nicht erkennen, was es war, aber er hatte nicht den geringsten Zweifel daran, daß es sich um eine Waffe handelte. Die Burschen machten ernst.
Er reagierte, ohne zu denken. Ohne auf die pochenden Schmerzen in Schulter und Bein zu achten, trat er Bremse und Kupplung gleichzeitig und mit aller Kraft, schaltete gleichzeitig herunter und spannte in Erwartung des bevorstehenden Anpralls jeden Muskel im Leib an. Der Honda wuchs plötzlich rasend schnell im Rückspiegel heran, explodierte zur Größe eines LKWs und dann zu den Dimensionen eines Mondes, der auf die Erde herabstürzte. Den Bruchteil einer Sekunde, bevor der Aufprall erfolgte, ließ Stefan Kupplung und Bremse los und trat das Gaspedal bis zum Boden durch.
Der Aufprall war hart, aber nicht so schlimm, wie er erwartet hatte. Stefan hatte sich bereits gegen die Gurte gestemmt, um nicht erneut dagegengeprellt zu werden, und auch die neuerliche Schreckensvision, die plötzlich hinter seiner Stirn aufblitzte, nämlich die, daß die Airbags aktiviert wurden und er sich jäh hilflos eingeklemmt in einem dahinschießenden Wrack wiederfand, wurde nicht wahr. Der BMW beschleunigte lediglich mit einem harten Ruck noch weiter. Für eine Sekunde war der Rückspiegel voller reiner Bewegung und fliegender Trümmerstücke.
Als er den Honda wieder sehen konnte, erblickte er etwas ganz Unglaubliches:
Der Wagen rollte noch, aber Stefan verstand nicht genau, wieso. Seine Motorhaube war vollkommen zermalmt. Eines der Räder stand so schräg, als wollte es jeden Moment abbrechen, und aus dem zerborstenen Kühlergrill quoll Dampf. Die Windschutzscheibe war zu einem milchigen Muster aus Abermillionen winziger rechteckiger Glassplitter geworden, die nur eine Laune des Zufalls und die unsichtbare Folie auf der Innenseite der Scheibe noch zusammenhielten, und alles, was dahinter lag, verbarg sich hinter einer weißen, wolkigen Struktur. Der Wagen sah aus, als wäre er mit der Abrißbirne aus der Citroen-Reklame kollidiert, und seine Airbags waren angesprungen. Damit hatte die Verfolgungsjagd ein Ende.
Stefan kuppelte aus, bremste vorsichtig ab und brachte den Wagen etwa hundertfünfzig Meter vom Wrack des Honda entfernt zum Stehen. Nach einem letzten, sichernden Blick in den Spiegel stieg er aus, eilte um den Wagen herum und begutachtete den Schaden am Heck. Er war schlimm, aber nicht so schlimm, wie er erwartet hatte. Nichts gegen das, was dem Honda zugestoßen
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