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Wolfsherz

Wolfsherz

Titel: Wolfsherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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und diesmal machte sich White nicht einmal die Mühe, die Lippen zu einem höflichen Lächeln zu verziehen.
    Schweigend und auf immer noch wackeligen Knien ging er neben White zum Aufzug. Sie passierten einen schweren amerikanischen Wagen mit einem Nummernschild der gleichen Nationalität, der White gehören mußte. Hinter dem Steuer saß ein junger Mann und rauchte. Er machte keine Anstalten, auszusteigen, nickte White aber knapp zu und folgte ihnen aufmerksam mit Blicken.
    »Sie haben Ihre Tarnung also fallen lassen «, sagte Stefan.
    »Tarnung? «
    »Vom österreichischen Charmeur zum Indiana-Jones-Verschnitt «, sagte Stefan. »Wo liegt die Wahrheit? Wie immer irgendwo in der Mitte? «
    »Vielleicht«, antwortete White geheimnisvoll. »Vielleicht auch Lichtjahre entfernt. «
    Sie erreichten den Aufzug. White wartete, bis die Kabine gekommen war und sie hineintraten, dann fragte er unvermittelt: »Was haben Sie erzählt? «
    »Wie? «
    »Über mich. Das, was in Kroatien passiert ist. Sie wissen, was ich meine. «
    »Weiß ich das? « Der Aufzug setzte sich summend in Bewegung, und etwas an White änderte sich schlagartig. Es war nicht sein Gesichtsausdruck, oder seine Haltung, sondern etwas, das viel tiefer ging. Für einen Moment war es wieder so wie am Morgen, in einem anderen Parkhaus und in einem anderen Aufzug; es war, als blicke er plötzlich hinter die Fassade der Dinge. Er sah den Gesamteindruck, nicht mehr die einzelnen Teile, aus denen er zusammengesetzt war. Es war sehr irritierend; erschreckend, aber irgendwie auch aufregend.
    »Ich habe gehört, daß Sie... ein paar Probleme hatten? «
    »Sie sind gut informiert«, antwortete Stefan. Natürlich war White nicht rein
zufällig
jetzt hier aufgetaucht. Das hatte er auch keine Sekunde lang wirklich geglaubt.
    »Davon lebe ich«, erwiderte White, jetzt allerdings vollkommen humorlos.
    »Dann wissen Sie ja auch, daß wir niemandem etwas gesagt haben«, sagte Stefan. »Keine Sorge. Niemand in diesem Land weiß, daß es Sie gibt, und wir haben auch niemandem von Ihrem schmutzigen kleinen Geheimnis erzählt. «
    »Tatsächlich? « sagte White. »Keinem, mit Ausnahme Ihres Schwagers, meinen Sie. «
    Stefan biß sich auf die Unterlippe. White war wirklich gut informiert. Er sagte nichts.
    »Und wem noch? « bohrte White.
    »Niemandem«, beharrte Stefan. »Und ich habe auch Robert nichts gesagt. Das war Rebecca. Ich habe den gutgemeinten Rat nicht vergessen, den Sie mir in dieser Nacht im Wolfsherz gegeben haben. Sie waren ja deutlich genug. «
    White seufzte. »Dann sollten Sie vielleicht mit Ihrer Frau reden«, sagte er. »Ich weiß, es muß in Ihren Ohren wie blanker Hohn klingen. Aber ich meine es wirklich gut mit Ihnen, Stefan. «
    »Ja«, antwortete Stefan. »Das hatte ich gemerkt. « Er massierte seine schmerzende Schulter. »Es vergeht kein Tag, an dem ich nicht ein paarmal daran erinnert werde, wie fürsorglich Sie sich um uns gekümmert haben. «
    »Was wollen Sie? « fragte White. »Sie leben noch, oder? In ein paar Wochen erinnern Sie sich wahrscheinlich nicht einmal mehr daran. Wenn es Ihnen ein Trost ist«, er hob den verstümmelten Arm ein wenig und verzog die Lippen, » ich habe auch ein kleines Andenken mitgebracht. «
    »Tut es weh? « fragte Stefan.
    White zog eine Grimasse. »Nur, wenn ich wach bin. «
    »Gut«, sagte Stefan böse. »Erinnern Sie mich daran, daß ich Ihnen eine Monatspackung extra starken Kaffee zukommen lasse. «
    In Whites Augen blitzte es auf. Nur ganz kurz, vielleicht nur für den Bruchteil einer Sekunde, aber es war eine Wut von solcher Intensität, daß Stefan instinktiv einen halben Schritt vor ihm zurückwich. Dieser Zorn hatte keinen Grund. Was er in Whites Augen las, das war nicht nur einfacher Arger, sondern eine mörderische, kompromißlose Wut, die auf Töten und Zerreißen aus war.
    Das lodernde Funkeln erlosch jedoch so schnell, wie es gekommen war, und White sagte: »Sie machen keinen Unsinn, oder? «
    Etwas...
geschah
in Stefan. Er wußte nicht, was, und er konnte nichts dagegen tun, aber er spürte es ganz deutlich: Es war, als rastete in seinem Bewußtsein eine niemals benutzte, aber vorhandene Verbindung auf eine fast mechanische Weise ein. Überrascht und fast neugierig darauf, was als nächstes geschehen würde, beobachtete er sich selbst, wie er mit einer blitzschnellen Bewegung auf White zu und halb an ihm vorbei trat, den Arm hob und den Halteknopf des Aufzuges drückte, so zornig und hart, als ramme er

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