Wolfsherz
natürlich, daß sich sogar Stefan einen Moment lang fragte, was, zum Teufel, er eigentlich erzählt hatte, bis er zu der Antwort gelangte: nichts.
White hatte sich jedoch perfekt in der Gewalt. Nichts an seinem Gesichtsausdruck oder seiner Haltung deutete darauf hin, daß er erschrocken oder auch nur unangenehm berührt gewesen wäre. Er schüttelte nun den Kopf. »So groß war das Abenteuer nicht. Ich war nur für den Transport zuständig. Ich habe den Hubschrauber nicht einmal verlassen. Obwohl ich es mir fast gewünscht hätte.« Er seufzte. »Wahrscheinlich begehen Sie den gleichen Fehler wie die meisten - wie ich auch, um ehrlich zu sein, früher einmal - und halten meinen Job für aufregend und gefährlich, oder wenigstens abwechslungsreich. Er ist es nicht. Manchmal würde ich mir ein kleines Abenteuer direkt wünschen.«
»Und das da?« Dorn deutete mit einer Kopfbewegung auf Whites bandagierten Arm.
Der Amerikaner zog eine Grimasse und seufzte tief. »Das Schicksal entwickelt wirklich manchmal einen eigentümlichen Sinn für Humor«, sagte er. »Da fliege ich mitten in ein Kriegsgebiet, hole zwei Leute raus, die froh sind, mit dem nackten Leben davongekommen zu sein, und kriege nicht einmal einen Kratzer ab. Und auf dem Weg vom Flughafen zu meinem Appartement werde ich von einem Taxifahrer zum Krüppel gemacht, der für zwanzig Mark Trinkgeld alle Verkehrsregeln vergessen hat.«
»Und wieso fliegt die US-Army mitten in ein Kriegsgebiet, um zwei deutsche Staatsbürger herauszuholen?« fragte Westmann.
Whites Lächeln blieb unerschütterlich. »Es war ein rein humanitärer Einsatz. Ich bin sicher, Ihre Jungs hätten das gleiche für meine Landsleute getan, wenn sie zufällig in der Nähe gewesen wären.«
»Und wenn es kein Zufall gewesen wäre, dann dürften Sie sowieso nicht darüber sprechen«, vermutete Wertmann.
»Das stimmt«, sagte White ungerührt. »Aber es war nicht mehr... leider.« Er wandte sich an Rebecca. »Ich kann später noch einmal wiederkommen, wenn es im Moment nicht so günstig ist.«
»Nein«, antwortete Rebecca schnell, eine Spur zu laut und - Stefan konnte sich nicht erklären, warum - eindeutig erschrocken. Einen Moment lang sahen nicht nur er selbst, sondern auch Dorn, Westmann und vor allem White irritiert aus. Dann zwang sich Rebecca zu einem verlegenen Lächeln, setzte sich gerade im Bett auf und fügte in verändertem Ton hinzu:
»Ich weiß doch, wie beschäftigt Sie sind, und die Angelegenheit wird bestimmt nicht lange dauern.«
Den letzten Satz hatte sie eindeutig im Tonfall einer Frage formuliert, und sie warf Dorn und seinem Begleiter auch einen entsprechenden Blick zu.
Dorn sagte nichts, aber Westmann faltete endlich die Arme vor der Brust auseinander, stieß sich von der Fensterbank ab und trat zwischen Stefan und Rebeccas Bett. »Was gab es denn nun so Wichtiges, das sie uns unbedingt mitteilen mußten?«
»Ich...« Stefans Gedanken rasten. Er konnte nichts von Sonja und ihren Brüdern erzählen. Nicht jetzt. Nicht in Whites Beisein, und schon gar nicht, ohne Rebecca irgendwie darauf vorzubereiten. Sie hatte genug unangenehme Überraschungen erlebt. Er kam zu dem Schluß, daß er es am besten mit einem Teil der Wahrheit versuchte; dem, den Dorn sowieso über kurz oder lang herausfinden würde.
»Jemand hat mich verfolgt«, begann er von neuem.
»Verfolgt? Wo? Wann?«
»Auf dem Weg hierher«, antwortete Stefan. Als er die Worte aussprach, wurde ihm klar, daß das keine Antwort auf Westmanns Frage war. Schnell fuhr er fort: »Ein Wagen mit zwei Männern. Irgendein japanisches Modell... glaube ich.«
»Glauben Sie?« wiederholte Westmann. »Vielleicht glauben Sie ja auch nur, verfolgt worden zu sein?«
»Sie waren bewaffnet. Und sie haben es ernst gemeint«, fuhr Stefan fort, nunmehr direkt an Dorn gewandt. Wahrscheinlich gab es nur eine einzige Möglichkeit, mit Westmann umzugehen: ihn zu ignorieren.
Westmann setzte zu einer Antwort an, aber Dorn brachte ihn mit einer beiläufigen Geste zum Schweigen. »Ein japanischer Wagen?« fragte er. »Vielleicht ein Honda?«
Stefan nickte. »Ich glaube. Warum fragen Sie?«
»Was für einen Wagen fahren Sie, Herr Mewes?« fuhr Dorn fort. »Einen dunkelblauen BMW?«
»Im Moment ja. Er gehört meinem Schwager.«
Westmanns Augen wurden groß. »Sie waren das?«
»Er war was?« fragte Rebecca vom Bett aus. White sagte nichts, aber Stefan registrierte seihst aus- den Augenwinkeln heraus, daß der Amerikaner sich
Weitere Kostenlose Bücher