Wolfsherz
recht. Ich hätte eine andere Ausdrucksweise wählen sollen. Bitte entschuldigen Sie. Ihre Frau ist immer noch entschlossen, das Kind zu behalten?«
»Wir werden Eva adoptieren«, bestätigte Stefan. Er war selbst ein bißchen erstaunt, wie leicht ihm das wir von den Lippen ging, gab sich in Gedanken aber selbst Dispens. Er sprach mit White und somit mit einem Mann, in deren Gegenwart der Begriff
Wahrheit
eine andere Wertigkeit bekam.
»Warum überrascht mich das nicht?« fragte White. »Ich hoffe nur, Sie wissen, worauf Sie sich da einlassen.«
»Wie meinen Sie das?«
»Sie werden monatelang Arger mir den Behörden haben. Vielleicht Jahre.«
Das klang ehrlich, was aber nach Stefans Meinung nicht viel zu sagen hatte. Er hatte von diesem Mann schon eine Menge Dinge gehört, die ehrlich klangen und sich hinterher als falsch herausstellten.
Sie hatten das Zimmer erreicht. White klopfte an, bekam jedoch keine Antwort, weil die schwere Tür den Laut einfach verschluckte, und Stefan trat wortlos an ihm vorbei und öffnete sie. Er erlebte eine Überraschung - allerdings keine angenehme. Rebecca war nicht allein. Inspektor Dorn stand am Fußende ihres Bettes, und Westmann lehnte mit verschränkten Armen am Fensterbrett und blickte finster abwechselnd zur Tür und in
Rebeccas Gesicht, als erwarte er von einem von ihnen irgendeine Art von verräterischer Reaktion. Weder Rebecca noch die zwei Polizisten zeigten sich im geringsten überrascht, als Stefan eintrat. Stefan seinerseits suchte einen Moment lang in den Gesichtern der beiden Beamten nach irgendeinem verräterischen Anzeichen dafür, daß sie bereits von seiner kleinen Hollywood-Einlage auf dem Weg hierher gehört hatten! Er fand nichts. Und er hatte auch nicht vor, sie zu informieren. Jedenfalls jetzt noch nicht. Rebeccas Gesichtsausdruck änderte sich jedoch schlagartig, als White hinter ihm ins Zimmer trat und die Tür schloß. Sie richtete sich mit einem Ruck im Bett auf.
»Herr Mewes!« Dorn trat ihm entgegen und streckte die Hand aus. Stefan ignorierte sie.
»Was... tun Sie hier?« fragte er überrascht.
»Sie haben doch im Büro angerufen und um ein Gespräch gebeten«, antwortete Dorn.
»Dringend«, fügte Westmann vom Fenster aus hinzu. »Was gab es denn so
Wichtiges?«
Stefan setzte zu einer Antwort an, von der er noch nicht genau wußte, wie sie aussehen würde. Er war jetzt nicht mehr sicher, ob er den beiden Polizisten wirklich von seiner Begegnung mit Sonja und ihren sonderbaren Brüdern berichten sollte; geschweige denn White. Dorn nahm ihm die Entscheidung jedoch mindestens für einen kurzen Moment ab, denn er deutete mit einer Kopfbewegung auf den Amerikaner und sagte:
»Warum stellen Sie uns Ihren Begleiter nicht vor?«
»Mein Name ist White«, antwortete White, plötzlich in immer noch einwandfreiem Deutsch, aber mit hörbarem amerikanischen Akzent. Er trat rasch an Stefans Seite, streckte die linke Hand aus und amüsierte sich einen Moment lang unverblümt über Dorns ungeschickten Versuch, sie ganz automatisch mit der rechten Hand ergreifen zu wollen. »Ich bin Mitarbeiter der amerikanischen Botschaft.«
Dorn runzelte die Stirn und gab es auf, Whites Hand schütteln zu wollen. Er wandte sich mit einem entsprechenden Blick an Stefan. »Sie fahren schweres Geschütz auf.«
Stefan verstand im ersten Moment nicht einmal, was er meinte. White dafür aber um so besser, denn er schüttelte fast hektisch den Kopf und zauberte ein so verlogenes Grinsen auf sein Gesicht, daß ihm selbst Stefan den Diplomaten fast abgekauft hätte.
»Sie irren sich, mein lieber Herr...?«
»Dorn«, sagte Dorn kühl.
»Herr Dorn. Ich weiß nicht, was hier geschehen ist, aber was immer es auch ist, ich habe bestimmt nichts damit zu tun. Herr Mewes und ich haben uns zufällig unten im Parkhaus getroffen.«
»Und Sie sind auch rein zufällig jetzt hier im Krankenhaus«, vermutete Wertmann.
»Keineswegs. Ich bin nur gekommen, um mich von Stefan und Rebecca zu verabschieden. Ich muß übermorgen zurück in die Staaten.«
»Sind Sie befreundet?« fragte Dorn.
»So kann man das nicht direkt nennen«, erwiderte White. »Wir haben uns auf dem Rückflug von Bosnien hierher kennengelernt, und ich wollte nicht gehen, ohne good
bye
zu sagen.«
»So ein gemeinsam überstandenes Abenteuer schmiedet zusammen, nicht wahr«, sagte Dorn. »Das kann ich verstehen. Herr Mewes hat mir davon erzählt.«
Er war ein perfekter Schauspieler. Die Worte kamen so beiläufig und
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