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Wolfsherz

Wolfsherz

Titel: Wolfsherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Worten und sinnlosen Bildern bestand, sondern aus Furcht und lähmendem Entsetzen, und von dem er nicht sicher war, daß es sich über kurz oder lang von selbst totlief, jemand trachtete ihm nach dem Leben, und es war eine Bedrohung vollkommen anderer Art als die, mit der sie vor zwei Wochen im Wolfsherz konfrontiert worden waren. Möglicherweise waren die Akteure sogar dieselben, aber die Regie hatte sich geändert. Eine verzweifelte Flucht durch einen nächtlichen Wald, verfolgt von schwerbewaffneten Männern und einer Meute beinahe mythologischer Ungeheuer, das war eine Sache; schrecklich, unvorstellbar furchteinflößend und lebensgefährlich. Aber sie war begrenzt gewesen, einige wenige Stunden, die sie durchhalten mußten, bis der Morgen und damit der rettende Helikopter kam. Und vor allem, sie hatte irgendwo stattgefunden, weit entfernt, in einer anderen Welt, in die sie für ein paar Stunden eingetaucht waren, um sie dann wieder zu verlassen.
    Jetzt war die Bedrohung hier.
    Der Schrecken hatte die Fesseln des Alptraumes abgestreift, in dem er zu Hause war, und war in seine normale Welt eingedrungen, und das verlieh ihm eine vollkommen andere, mörderische Qualität. Es gab kein Dort mehr, in dem es gefährlich war, und kein Hier, in dem Sicherheit herrschte. Der Tod konnte jederzeit zuschlagen, auf der Straße, in der Klinik, in einem Parkhaus irgendwo in der Stadt, hier.
    Er versuchte, die Endlosschleife hinter seiner Stirn mit Logik zu durchbrechen: Es gab mindestens noch einen Ort, an dem er sicher war; seine Wohnung. Hätten seine Verfolger davon gewußt, hätten sie auf ihn gewartet, vorhin, als er nach Hause kam. Er war hier sicher; ein Versteck, von dem niemand wußte.
    Niemand außer Sonja,
flüsterte eine Stimme hinter seiner Stirn, Sonja, die vorhin hier gewesen war und auf der Couch gesessen hatte, genau dort, wo er jetzt saß, und die von seinem Versteck wußte.
    Stefan begriff ganz deutlich, daß er auf dem besten Weg war, sich selbst in Panik zu reden. Aber er konnte nichts dagegen tun. Die letzte Rettungsleine, nach der er gegriffen hatte, die Logik, war es ja gerade, die ihm selbst diese naive letzte Hoffnung genommen hatte. Er war nirgendwo sicher, auch hier nicht. Die Welt hatte sich in eine riesige Zielscheibe verwandelt, in deren Zentrum er lebte; ganz egal, wo er sich gerade aufhielt.
    Und wenn es für diesen Gedanken noch eines Beweises bedurft hätte, dann bekam er ihn in der nächsten Sekunde, denn es klingelte an der Tür.
    Stefan fuhr wie elektrisiert zusammen, berührte dabei aus Versehen eine Taste auf der Fernbedienung und schaltete den Fernseher ab. Die Stille erschien ihm lauter als die schrille Comedy-Musik zuvor. Sein Herz hämmerte. Aus weit aufgerissenen Augen starrte er die Tür an.
    Er erwartete keinen Besuch. Niemand hatte sich angekündigt, und niemand würde ohne Anmeldung kommen. Seine Kollegen und die wenigen Freunde, die er besaß, wußten ausnahmslos, daß er um diese Uhrzeit normalerweise noch in der Klinik bei Rebecca war. Dorn hatte ihm mit unmißverständlichen Worten auf Band hinterlassen, daß er ihn am nächsten Morgen in seinem Büro erwartete, und Robert saß noch im Flugzeug. Niemand wußte, daß er zu Hause war.
    Trotzdem wiederholte sich das Klingeln in diesem Moment. Jetzt, wo er allein durch die Stille hallte, kam ihm der Ton schriller und fordernder vor als das erste Mal; und er hielt deutlich länger an.
    Vielleicht war es nur ein Nachbar, der sich über den lauten Fernseher beschweren wollte.
    Genau. Das mußte es sein. Die aufdringliche Kuh von gegenüber.
    Stefan atmete erleichtert auf, zwang ein nervöses Lächeln auf sein Gesicht und stand auf. Nur ein Nachbar, der sich über den Lärm beschweren wollte.
    Trotzdem ging er nicht sofort zur Tür, sondern trat ans Fenster und spähte vorsichtig durch einen Spalt in den Gardinen hinaus. Der Verkehr auf der Straße machte ihm klar, daß es zwar bereits dunkel, aber noch nicht sehr spät war. Unmittelbar vor dem Haus parkte ein Taxi. Das gelbe Schild leuchtete nicht, aber er konnte erkennen, daß noch ein Fahrer im Wagen saß. Wer würde mit einem Taxi kommen, um ihn zu besuchen? Sonja? Kaum. Er bezweifelte, daß dieses sonderbare Mädchen überhaupt wußte, was ein Taxi war.
    Es klingelte zum drittenmal, und diesmal hielt das nerv-tötende Schrillen noch länger an. Stefan ging mit langsamen Schritten zur Tür, warf einen Blick durch den Spion und sah einen vielleicht fünfzigjährigen, kräftigen

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