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Wolfsherz

Wolfsherz

Titel: Wolfsherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Mann mit grauem Haar, kurzgeschnittenem Kinnbart, Jeans und schwarzer Lederjacke. Wenn er jemals einen typischen Taxifahrer gesehen hatte, dann ihn. Vielleicht ein bißchen
zu
typisch? Er konnte sich diesen Kerl auch ebensogut in einer gefleckten Tarnuniform vorstellen, mit Kampfstiefel und einer Maschinenpistole unter dem Arm. Sein breites Gesicht würde dann gar nicht mehr so gutmütig aussehen, und...
    Er war schon wieder dabei, sich in etwas hineinzusteigern. Stefan brach den Gedanken mit einer fast gewaltsamen Anstrengung ab, trat einen Schritt zurück und riß die Tür mit einer so abrupten Bewegung auf, daß der Mann auf der anderen Seite erschrocken zusammenfuhr.
    »Ja?«
    Der Grauhaarige blinzelte. Er brauchte eine oder zwei Sekunden, um sich wieder zu fangen, dann fragte er: »Herr Mewes? Taxi-Center Nord.«
    »Ich habe kein Taxi bestellt«, antwortete Stefan. Blitzschnell suchte er den Korridor zu beiden Seiten ab. Nichts. Und es gab auch kein Versteck, das groß genug gewesen wäre, einen Menschen zu verbergen. Ebenso blitzartig schätzte er den Burschen vor sich ein. Der Mann war ein gutes Stück größer als er und um etliches schwerer, aber vermutlich nicht sehr schnell. Etwas sehr Seltsames war geschehen: Im gleichen Moment, in dem er die Tür geöffnet und seinem Gegenüber in die Augen gesehen hatte, war die irrationale Furcht verschwunden. Stefan, der Feigling, war für einige Minuten zurückgekehrt, aber er schien jetzt nur noch für Dinge zuständig zu sein, die er nicht sehen konnte. Einen körperlichen Gegner fürchtete er nicht mehr.
    Was nicht bedeutete, daß er ihn nicht respektierte. Stefan beendete die Einschätzung seines Gegenübers mit dem Schluß, daß der Mann nicht immer Taxifahrer gewesen war. Seine Hände waren sehr kräftig.
    Außerdem konnte er die Angst, die mit jeder Sekunde stärker in ihm wurde, regelrecht riechen.
    »Ich weiß«, antwortete der Taxifahrer. Er war nervös und wußte plötzlich nicht mehr, wohin mit seinem Blick. »Ich soll hier einen Wagen abholen und zum Flughafen rahren. Einen dunkelblauen BMW mit der Nummer -«
    »Er gehört meinem Schwager«, unterbrach ihn Stefan. »Warten Sie - ich hole den Schlüssel.« Robert hatte offensichtlich noch vom Flughafen Zürich aus angerufen, um auch ja sicher zu sein, von seinem eigenen Wagen erwartet zu werden. Er würde nicht besonders erfreut sein, wenn er die Dellen sah, die Stefan hineingefahren hatte - aber zumindest sein erster Zorn würde verrauchen, ehe sie sich wiedersahen.
    Stefan ging ins Wohnzimmer, holte den Schlüssel und händigte ihn dem Taxifahrer aus; zusammen mit einem gefalteten Zwanziger, den der Mann mit einem Ausdruck deutlicher Überraschung entgegennahm. Spätestens, wenn er Robert den Wagen am Flughafen übergab, würde er den Sinn dieses großzügigen Trinkgeldes verstehen.
    Er wartete, bis der Mann im Aufzug verschwunden war, dann schloß er die Tür, legte die Kette vor und ging ins Wohnzimmer zurück. Er war jetzt ganz ruhig. Noch immer alarmiert und in dem klaren Bewußtsein, sich in einer Gefahr zu befinden, deren genaues Ausmaß er im Moment noch nicht einmal abzuschätzen vermochte, dies aber auf eine seltsam emotionale, strategische Art. Er sammelte und analysierte Daten, fast wie ein Computer, und das Ergebnis, zu dem er kam, gefiel ihm nicht. Aber die Panik, die ihm noch gerade so fest in ihren Klauen gehabt hatte, kam nicht zurück.
    Ganz im Gegenteil war ihm mit einem Male klar, wie gefährlich dieser Weg war, den er schon ein gutes Stück weit gegangen war. Wenn er sich gestattete, in Panik zu geraten, dann war es nur noch ein kleiner Schritt, bis er anfing, wie ein aufgescheuchtes Huhn durch die Gegend zu rennen und einen Fehler nach dem anderen zu machen. Wahrscheinlich war das ganz genau das, was seine Verfolger von ihm erwarteten.
    Stefan dachte allerdings nicht daran, ihnen diesen Gefallen zu tun. Sie hatten ihre Chance gehabt, und eine zweite würde er ihnen ganz bestimmt nicht geben. Mit einem Mal war ihm klar, was er als nächstes tun mußte: Er hatte im Grunde alle Fakten, die er brauchte. Da waren White und seine geheimnisvollen Auftraggeber, Sonja und ihre sonderbaren Brüder und die Männer aus dem Wagen, wahrscheinlich dieselben, die auch das Pärchen im Parkhaus ermordet hatten, Eva und die anscheinend so sinnlosen Andeutungen, die die Krankenschwester und ihr Bruder gemacht hatten. Nichts von alledem schien im Moment irgendeinen Sinn zu ergeben, und trotzdem war er

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