Wolfsherz
geschlagene weitere Sekunde vollkommen fassungslos da und versuchte zu begreifen, daß er tatsächlich gewonnen hatte. Dann aber antwortete auch er mit einem angedeuteten Nicken und wich Schritt für Schritt in die Richtung zurück, in der er die Tür vermutete. Seine Pistole blieb dabei eisern auf das Gesicht des Söldners gerichtet. Er war nicht einmal sicher, ob er aus dieser Entfernung noch treffen würde.
Sein tastender Fuß stieß gegen ein Hindernis, das er als Tür' schwelle indentifizierte. Er trat rücklings hinüber, versuchte vergeblich, sich das Aussehen und die Topographie des Korridors hinter sich ins Gedächtnis zu rufen und zögerte noch einmal. Der nächste Schritt entschied, denn er würde ihn vollends aus dem Raum hinaus und die vier Söldner damit aus seinem Blickfeld bringen. Bisher rührte sich keiner der vier. Sie hielten es nicht einmal mehr für nötig, mit ihren Waffen auf ihn zu zielen, sondern starrten ihn nur an. Er hatte gar keinen wirklichen Sieg errungen, sondern allerhöchstens einen erfolgreichen Zug in einer Partie gemacht, die nach nicht besonders fairen Regeln gespielt wurde. Und die noch lange nicht vorbei war.
Er wagte es endlich, den Blick des Söldners loszulassen, trat rasch einen weiteren Schritt zurück und warf die Tür zu. In dem Sekundenbruchteil, in dem sie vor ihm zuschlug, registrierte er zweierlei: Die Tür hatte kein Schloß oder einen Riegel, den er vorlegen konnte, und in dem Raum dahinter entstand fast explosionsartig hektische Bewegung. Die Jagd hatte begonnen.
Stefan wirbelte herum, konnte Rebecca und Eva nirgends entdecken und war am Ende des kurzen Ganges, noch bevor er vollends in Panik geraten konnte. Rebecca war bereits draußen auf dem Korridor. Sie hatte Eva wie einen Säugling an sich gepreßt und taumelte mehr, als sie ging, bewegte sich trotzdem aber erstaunlich schnell.
Stefan stolperte auf den Hauptkorridor hinaus, machte eine ungeschickte halbe Drehung und glaubte zu sehen, wie sich die Kellertür hinter ihm öffnete. Blindlings hob er die Waffe und gab rasch hintereinander zwei Schüsse ab.
Der peitschende, zu einem einzigen Laut verschmelzende Knall explodierte ein gutes Stück jenseits der Schmerzgrenze auf seinen Trommelfellen und schien sich endlos in dem leeren Korridor fortzusetzen, und der Rückstoß schleuderte seinen Arm haltlos in die Höhe und hätte ihm fast die Waffe aus der Hand gerissen. Aber er sah auch, daß zumindest einer seiner Schüsse getroffen hatte: Aus der Feuerschutztür stoben Funken, und wenn die Kerle dahinter auch nur für zehn Pfennig Grips im Hirn hatten, dann würden sie jetzt ein paar Sekunden verstreichen lassen und die Tür auch danach nur sehr vorsichtig öffnen. Unendlich kostbare Zeit für Rebecca und ihn.
Er rannte los. Rebecca hatte bereits einen gehörigen Vorsprung. Er hatte automatisch angenommen, sie mit wenigen Schritten einholen zu können, aber die Angst schien ihr übermenschliche Kräfte zu verleihen; außerdem hatte er sich bei seinem Sprung wohl doch stärker verletzt, als er angenommen hatte: Sein Bein schmerzte immer stärker, und er konnte spüren, wie warmes Blut an seinem Bein hinablief. Es gelang ihm nur mit einiger Mühe, Rebecca überhaupt einzuholen. Trotzdem gestikulierte er ihr zu, ihm Eva zu geben. Rebecca schüttelte den Kopf, womit sie recht hatte: Wenn ihre Verfolger sie einholten, brauchte er
beide
Hände.
Stefan gab im Laufen einen weiteren, ungezielten Schuß über die Schulter ab und erntete prompt einen Fluch in russischer Sprache als Antwort. Als er jedoch den Kopf drehte und zurücksah, war der Gang hinter ihnen leer. Seine Vermutung war richtig gewesen. Die Russen
nahmen
ihn ernst.
Rebecca stolperte. Es war nur ein kurzes Straucheln, das sie eine oder zwei Sekunden aus dem Tritt brachte, ohne daß sie wirklich in Gefahr war, zu stürzen, aber die Warnung war deutlich genug. Rebecca bewegte sich nur noch mit der Kraft absoluter Verzweiflung, und ihre Batterie stand kurz davor, auszubrennen. Wenn der Zusammenbruch kam, dann plötzlich und total.
»Dort!« Stefan deutete wahllos auf eine der Türen zur Linken, und Rebecca stolperte gehorsam in die angegebene Richtung, zu schwach, um zu widersprechen. Während sie die Tür aufstieß und hindurchtaumelte, drehte sich Stefan um und hob gleichzeitig die Pistole. Es gab nichts, worauf er hätte schießen können. Wenn die Russen sie verfolgten, dann nicht auf diesem Weg.
Trotzdem feuerte er einen weiteren Schuß ab -
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