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Wolfsherz

Wolfsherz

Titel: Wolfsherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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er war auch schlicht und einfach dumm; bestensfalls ein Dialog aus einer drittklassigen Soap-Opera, aber nichts für die Wirklichkeit. Was wirklich zählte, das war das, was er in den Augen seines Gegenübers las.
    Und das überraschte ihn.
    Er entdeckte keinerlei Anzeichen von Angst, oder auch nur Respekt vor der Waffe, die er genau zwischen diese Augen drückte. Der Kerl
war
ein Profi. Er hatte wahrscheinlich nur eine Sekunde gebraucht, um Stefan einzuschätzen und genau zu wissen, wem er gegenüber stand. Und - so sehr sich Stefan auch selbst darüber wunderte - er schien zu dem Schluß gekommen zu sein, daß er abdrücken würde. Stefan selbst war längst nicht so sehr davon überzeugt wie der Söldner, aber er dachte auch nicht daran, diesen Irrtum zu korrigieren.
    »Also gut«, sagte er. »Ich weiß nicht, ob ihr mich versteht, aber selbst wenn nicht, könnt ihr euch wahrscheinlich denken, was ich will. Wir werden jetzt hinausgehen, und wenn ihr versucht, uns aufzuhalten, dann nehme ich mindestens einen von euch mit. Alles klar?«
    Sein Gegenüber rührte sich nicht, aber irgendwie signalisierte sein Blick trotzdem Zustimmung. Wenigstens betete Stefan, daß es so war. Er setzte sein Leben auf die Vermutung.
    »Becci? Kannst du gehen?«
    »Kein Problem«, antwortete Rebecca. Ihre Stimme zitterte. Es war ein Klang von Schmerz darin, der etwas in Stefan sich zusammenziehen ließ. Aber er konnte hören, wie sie aufstand und Eva auf die Arme nahm. Verrückt, aber er konnte tatsächlich
hören,
was sie tat!
    »Geh zur Tür«, fuhr er fort. »Langsam, aber geh.«
    Er konnte hören, wie sie sich in Bewegung setzte; nicht besonders schnell und mit schleppenden Schritten; ein leises Rascheln verriet, daß sie mit der Schulter an den Aluminiumblöcken entlangschleifte. Er hoffte, daß sie überhaupt noch die Kraft hatte, ihr eigenes Gewicht und das Evas zu tragen. Sie mußte es.
    Ganz langsam begann er sich auf der Stelle zu drehen, um Rebecca wenigstens aus den Augenwinkeln sehen zu können. Der Söldner vollführte die Bewegung spiegelverkehrt mit, als führten sie einen grotesken Slowfox auf.
    Stefan ließ den Blick seines Gegenübers immer noch nicht los. Er wußte, daß er tot war, wenn er das tat. Der Söldner würde im gleichen Moment abdrücken, in dem er auch nur für einen Sekundenbruchteil wegsah. Trotzdem registrierte er, daß sich die Situation mittlerweile radikal geändert hatte. Er wurde nicht mehr von zwei, sondern jetzt wieder vier Waffen bedroht. Die beiden Kerle, die er niedergeschlagen hatte, hatten sich bereits wieder erholt und zielten auf ihn. Und vermutlich waren beide nicht besonders gut auf ihn zu sprechen.
    »Geht«, sagte er noch einmal. »Schnell. Wartet nicht auf mich.«
    Er konnte Rebeccas verschwommenen Schemen am Rande seines Gesichtsfeldes ausmachen. Sie bewegte sich alles andere als schnell; wahrscheinlich, weil sie es gar nicht konnte. Stefan wunderte sich ein bißchen, daß noch keiner der drei Kerle auf die Idee gekommen war, sie als Geisel zu nehmen, aber er begriff auch fast im gleichen Moment, wie sinnlos das gewesen wäre. Alle Joker waren aus dem Spiel. Rebecca zu bedrohen würde ihn nicht dazu bringen, seine Waffe zu senken, ganz einfach, weil sie in der nächsten Sekunde
beide
tot wären. Und plötzlich begriff er auch, was er
tatsächlich
getan hatte - und warum er wahrscheinlich noch lebte. Er diktierte jetzt die Regeln dieses Spiels. Vielleicht nicht gut, und ganz bestimmt nicht sehr lange, aber vielleicht doch lange genug, um eine hauchdünne Chance zu haben.
    Etwas änderte sich. Stefan spürte es, fast eine Sekunde, ehe es wirklich geschah: Der kalte Druck in seinem Magen verschwand plötzlich. Der Söldner zog seine MPi zurück, senkte den Lauf der Waffe dann demonstrativ zu Boden und machte schließlich einen halben Schritt rückwärts. Er deutete ein Nicken an. Seine Augen waren dunkel vor Zorn, aber Stefan glaubte auch so etwas wie widerwillige Anerkennung darin zu lesen. Ganz gewiß konnte er einem Mann wie diesem keine Angst machen, aber der andere hatte ihn als gleichwertigen Gegner anerkannt. Möglicherweise war das etwas wert.
    Zwei, drei Sekunden standen sie einfach weiter so da und starrten sich an.
    Als Stefan auch dann nicht reagierte, wiederholte der Russe sein Nicken, löste betont langsam die linke Hand von seiner Waffe und deutete damit auf einen Punkt hinter Stefan: die Tür.
    Um ein Haar hätte er alles verdorben, denn Stefan stand noch eine

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