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Wolfsherz

Wolfsherz

Titel: Wolfsherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Noch fünf Sekunden, schätzte er.
    Er verdoppelte seine Anstrengung, das Gitter hochzustemmen, und auch Rebecca drückte mit aller Kraft. Das Hindernis bewegte sich millimeterweise, machte dann einen spürbaren Ruck und saß wieder fest, und in der gleichen Sekunde wurde die Tür am anderen Ende des Ganges aufgestoßen.
    Rebecca stieß einen enttäuschten Schrei aus, verstärkte ihre Anstrengungen, das Hindernis aus dem Weg zu räumen, aber noch. Auch Stefan versuchte, jedes bißchen Kraft zu mobilisieren, das er noch aufbringen konnte, spürte aber selbst, daß es nicht reichte. Das Gitter war nicht abgeschlossen, aber vermutlich so lange nicht mehr bewegt worden, daß die Scharniere hoffnungslos festgerostet waren.
    Er warf einen gehetzten Blick nach unten. Zwei der vier Söldner waren hereingekommen und näherten sich sehr schnell. Sie hatten ihre Waffen nicht gezogen, aber das war wohl auch kaum nötig.
    Stefan hörte auf, sinnlos an dem Gitter zu rütteln, kletterte hastig zwei weitere Sprossen in die Höhe und stemmte Schultern und Hinterkopf gegen die Stäbe. Die beiden Söldner waren fast heran. Sie schrien etwas auf russisch, das er nicht verstand.
    Stefan drückte mit aller Gewalt. Das Gitter knirschte, zitterte immer heftiger, gab aber noch immer nicht nach. Seine Beine und sein Rücken begannen unerträglich zu schmerzen, aber er ließ trotzdem nicht locker, sondern versuchte im Gegenteil, seine Position so zu verändern, daß er noch ein bißchen mehr an Hebelwirkung aufbringen konnte! Irgend etwas mußte nachgeben: das Gitter oder sein Rückgrat.
    Mittlerweise hatte der erste Russe die Leiter erreicht und begann unverzüglich zu ihnen heraufzuklettern. Rebecca trat nach seiner Hand. Sie traf, aber ihr nackter Fuß richtete kaum Schaden an. Der Russe stieß nur ein zorniges Knurren aus und versuchte seinerseits, mit der anderen Hand nach ihrem Fuß zu greifen. Stefan keuchte vor Anstrengung und Frustration, ignorierte den immer grausamer werdenden Schmerz in seinem verletzten Bein und befahl seinen Muskeln, noch mehr Kraft aufzubringen. Eva knurrte; ein wütender, drohender Laut, der kaum noch etwas Menschliches zu haben schien, und eine noch viel weniger menschlich aussehende Hand griff von oben nach den Gitterstäben und riß sie mit einem einzigen Ruck zur Seite. Stefan blieb gar keine Zeit mehr, um zu reagieren. Der unnachgiebige Druck, gegen den er sich mit aller Gewalt gestemmt hatte, war plötzlich nicht mehr da, und seine eigene Kraft katapultierte ihn regelrecht in die Höhe; vielleicht griff auch etwas von oben nach ihm und zerrte ihn von der Leiter. In der nächsten Sekunde jedenfalls prallte er unsanft auf harten Beton. Eva wurde von seinem Arm geschleudert und schrie auf, und seine hilflos pendelnden Beine trafen auf etwas, von dem er hoffte, daß es nicht Rebecca war.
    Jemand war bei ihm.
Etwas.
Das Gefühl, nicht mehr allein zu sein, war übermächtig. Und was immer da in der Dunkelheit neben ihm war, es war nichts Menschliches.
    Rebecca schrie, und der Laut ließ alles andere unwichtig werden. Stefan schlitterte auf dem Bauch liegend herum, beugte sich über den Treppenschacht und sah, daß sich die Situation in der einen Sekunde, die vergangen war, auf dramatische Weise verändert hatte. Rebecca klammerte sich mit aller Kraft an die Leitersprossen. Der Söldner hatte zu ihr aufgeholt, hielt sich mit einer Hand an der Leiter fest und hatte den anderen Arm von hinten um Rebeccas Hals geschlungen. Offenbar hatte er vor, sie von den Leiter zu reißen und in die Tiefe zu schleudern.
    Stefan brüllte vor Wut und Schrecken, glitt noch ein Stück weiter nach vorne und grub beide Hände in den Haarschopf des Söldners. Der Mann schrie auf, ließ Rebecca aber trotzdem nicht los. Statt dessen löste er die andere Hand von der Sprosse, so daß sein ganzes Körpergewicht nun an Rebeccas Hals zerrte. Seine Faust hieb nach Stefans Gesicht. Der Schlag tat nicht einmal besonders weh, aber er steigerte Stefans Wut zur Raserei. Er hörte auf, sinnlos an dem streichholzkurz geschnittenen Haar des Mannes zu zerren, grub die Fingernägel statt dessen tief in sein Gesicht und erntete nicht nur ein wütendes Grunzen, sondern auch das befriedigende Gefühl von warmen Blut, das unter seinen Fingernägeln hervorquoll.
    Der Söldner hörte auf, nach seinem Gesicht zu schlagen, griff statt dessen nach Stefans linker Hand und preßte seine Finger mit solcher Gewalt zusammen, daß ihm vor Schmerz übel wurde.

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