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Wolfsherz

Wolfsherz

Titel: Wolfsherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Vollmond ist. Vermutlich wollen sie nicht, daß ihr Geheimnis herauskommt.«
    »Mir ist nicht nach Scherzen«, sagte Robert eisig.
    Das war Stefan auch nicht. Ganz und gar nicht. Im Gegenteil. Die Worte waren ihm tatsächlich in beinahe scherzhaftem Ton von den Lippen gekommen, aber sie hinterließen einen schalen Nachgeschmack; etwas wie ein lautloses, aber nicht enden wollendes Echo, das mit jedem Mal um eine Winzigkeit tiefer in sein Bewußtsein einzudringen schien, eine Flutwelle, die sich ganz allmählich aufbaute und vielleicht die Gewalt eines Tsunamis erreichen würde. Er hatte nichts Sensationelles ausgesprochen, nicht einmal etwas Neues. Trotzdem war er regelrecht schockiert - nicht über das, was er gesagt hatte, sondern
daß
er es ausgesprochen hatte. Er hatte sich verkalkuliert. Es machte es nicht besser, die Dinge beim Namen zu nennen. Manchmal macht es die Sache eher schlimmer.
    »Was ist wirklich passiert?« fragte Robert noch einmal. Offensichtlich hatte er sich entschlossen, die Taktik zu ändern. Statt zornig klang seine Stimme jetzt resigniert, wenn auch auf eine ganz bestimmte, latent drohende Art. Sie machte klar, daß der unweigerlich folgende nächste Schritt eine Explosion sein würde. Stefan spürte allerdings, daß auch das nicht echt war. Robert spielte ein Spiel mit ihm. Vielleicht war er sich der Tatsache nicht einmal bewußt, aber Stefan begriff plötzlich, daß Rebeccas Bruder niemals etwas anderes getan hatte, solange er ihn kannte. Er spielte Spiele. Er tat es sehr erfolgreich; wie jeder wirklich gute Spieler handelte er eher instinktiv als überlegt, und wahrscheinlich hatte er längst ein Gespür dafür entwickelt, welche Taktik er bei seinem jeweiligen Gegenüber anwenden mußte. Er tat das alles sehr geschickt, und er setzte die gesamte Palette seiner Möglichkeiten dabei ein: Körpersprache, Mimik, Stimmlage und -höhe und hundert andere, zum größten Teil unterschwellige Signale.
    Und doch war nichts - nichts - von alledem echt. Trotz allem hatte Stefan vor seinem ungeliebten Schwager stets einen gehörigen Respekt verspürt, aber mit einem Male wurde ihm klar, daß Robert Respekt am allerwenigsten verdiente. Wenn er es auf den Kern reduzierte, dann war Roberts Leben eine einzige Lüge. Er war nichts von dem, was er zu sein vorgab.
    »Du willst nicht antworten«, sagte Robert. Er schüttelte den Kopf. »Du kommst hierher, ziehst mich in eine Geschichte hinein, die mich Kopf und Kragen kosten kann, und erwartest im Ernst, daß ich keine Fragen stelle? Du bist noch dümmer, als ich dachte.«
    »Und du kannst dir eine ganze Menge denken, ich weiß«, sagte Stefan lächelnd. »Was kommt als nächstes? Drohst du mir damit, uns wieder vor die Tür zu setzen?«
    »Nicht euch«, antwortete Robert betont. »Aber vielleicht dich?«
    Ein weiterer Bluff. Stefan ließ sich nicht mehr täuschen. Es war tatsächlich so, als gäbe es plötzlich eine zweite, nur für ihn hörbare Stimme, die jedes einzelne Wort Roberts kommentierte. Plötzlich hatte er Lust, es auf die Spitze zu treiben. Er war sicher - nein, er
wußte,
daß er zwei oder drei Sätze brauchen würde, um Roberts Überheblichkeit auf das Maß zu reduzieren, das ihm zustand. Und ein paar Sekunden mehr, bis er vor ihm im Dreck kroch.
    Aber wozu?
    »Nein«, sagte er ganz ruhig. »Das tust du nicht.«
    »Bist du da so sicher?«
    »Hundertprozentig.« Stefan seufzte. »Was machen wir jetzt? Gehen wir uns gegenseitig an die Kehle, oder versuchen wir, eine Lösung zu finden?«
    »Ich kann kein Problem lösen, das ich nicht kenne, verdammt!« protestierte Robert. »Wie soll ich euch denn schützen, wenn ich nicht einmal weiß, vor wem?«
    Was sollte er antworten? Er wußte es ja selbst nicht. Nicht genau genug, um eine Entscheidung zu fällen.
    »Es hat etwas mit Eva zu tun?« fragte Robert plötzlich. »Das hat alles angefangen, als ihr das Mädchen mitgebracht habt. Ist es das? Habt ihr irgend jemandem sein Kind gestohlen, und er ist jetzt hier, um es zurückzuholen?«
    Er kam der Wahrheit damit ziemlich nahe, fand Stefan. Unangenehm nahe, wenn auch aus einer anderen Richtung, als Stefan erwartet hätte. »Und wenn es so wäre? Willst du deiner Schwester erklären, daß sie Eva wieder weggeben muß?«
    Robert starrte ihn an. Lange. Fünf Sekunden, zehn. Länger, als Stefans innere Uhr ihm zuverlässig folgen konnte. Stefan hatte ganz automatisch geantwortet, ohne lange darüber nachzudenken oder die Worte gar - wie Robert es getan

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