Wolfsherz
werdende Gefühl, daß der Polizist seine Gedanken las oder zumindest dem verdammt nahe kam.
Dann nickte Dorn und drehte sich mit einer demonstrativen Bewegung weg. »Also bis morgen«, sagte er. »Und bringen Sie ein paar Antworten mit, Herr Mewes - oder eine Zahnbürste und ausreichend Wäsche zum Wechseln.«
Seine beiden Begleiter und er gingen. Robert machte sich nicht die Mühe, sie hinauszubegleiten, gab seinem Leibwächter jedoch einen kaum wahrnehmbaren Wink, woraufhin dieser den drei Beamten nachging. Stefan kam immer mehr zu der Überzeugung, daß sein Schwager nicht zum erstenmal mit diesen Männern zusammenarbeitete. Vielleicht hätte er sich in den zehn Jahren etwas weniger darauf konzentrieren sollen, seinen Schwager nicht leiden zu können, und dafür etwas mehr auf die Frage, was Robert eigentlich
tat.
Die Haustür fiel ins Schloß, und Robert fragte wie aus der Pistole geschossen und in scharfem Ton: »Wieso hast du ihm nicht gesagt, daß Eva hier ist?«
»Weil er es sowieso schon wußte«, antwortete Stefan. Allerdings nur Dorn, fügte er in Gedanken hinzu. Er war sicher, daß Westmann keine Ahnung hatte. Er hatte seinem Kollegen nur zufällig das richtige Stichwort gegeben.
»Um so dümmer war es, es nicht zuzugeben«, sagte Robert kopfschüttelnd. »Was soll das? Willst du ihm mit Gewalt einen Vorwand liefern, dich zu verhaften?«
»Das hätte er längst gekonnt«, antwortete Stefan. »Weißt du, Robert - Dom hat vollkommen recht. So wie die Dinge liegen, hätte er mich schon ein dutzendmal festnehmen können. Aber er wartet lieber ab.«
»Von mir aus kann er warten, bis er schwarz ist«, sagte Robert. »Der Kerl überschätzt sich - und du ihn auch, wenn du mich fragst. Er ist nur ein kleiner Beamter. Mit dem werde ich fertig.«
Offensichtlich gab es hier drinnen noch jemanden, der sich überschätzte. Stefan wußte allerdings, daß es sinnlos war, mit seinem Schwager darüber zu streiten.
Ganz im Gegenteil - vielleicht sollte er lieber hoffen, daß er sich in diesem Punkt irrte und Robert tatsächlich so einflußreiche Freunde hatte, wie er immer behauptete.
»Sag mal...«, sagte Robert plötzlich. Ein halb nachdenklicher, halb mißtrauischer Ausdruck machte sich auf seinem Gesicht breit. »Wie hat er das gemeint: Dein Wagen ist in die Luft gesprengt worden?«
»So, wie er es gesagt hat«, antwortete Stefan. »Jemand hat mir eine Bombe unter die Motorhaube gelegt. Kein sehr feiner Zug - aber wirkungsvoll. Und ziemlich spektakulär.«
»Aber du bist doch damit...« Robert sprach nicht weiter, als er endlich begriff, was wirklich passiert war. Er wurde ein bißchen blaß.
Immerhin, dachte Stefan, war er offenbar doch noch zu anderen Gefühlen fähig als Furcht und Mißtrauen. Ein beruhigender Gedanke.
Obwohl es, bei näherer Betrachtung, ihn eigentlich eher beunruhigen sollte. Wie alles andere.
Der Arzt blieb noch gute zehn Minuten bei Rebecca und dem Mädchen; gerade lange genug, um aus Stefans Beunruhigung Sorge und aus seiner Ruhelosigkeit Nervosität zu machen. Der Gesichtsausdruck, den er zur Schau trug, als er die Treppe herunterkam, trug auch nicht unbedingt zu Stefans Entkrampfung bei. Der Mann sah abgespannt aus, aber Stefan las in seinen Zügen eine gewisse Irritation, die seiner außer Rand und Band geratenen Phantasie noch zusätzlich Nahrung gab.
»Wie geht es meiner Schwester?« fragte Robert, noch ehe Stefan auch nur Luft holen konnte, um selbst eine entsprechende Frage zu stellen.
Dr. Riemann machte eine Geste, deren Bedeutung man nach Belieben auslegen konnte. Er kam mit kleinen, irgendwie nervös wirkenden Schritten die Treppe herab und stellte seine Tasche auf Roberts Schreibtisch, ehe er antwortete.
»Gut«, sagte er. »Jedenfalls besser, als ich erwartet habe, nach allem, was Sie mir erzählt haben. Sie ist vollkommen erschöpft, aber das ist nichts, was sich nicht mit ein paar Tagen Ruhe und ein paar Aufbaupräparaten wieder in Ordnung bringen ließe.« Er sah nun zum erstenmal Stefan an. »Wie ist der Name des behandelnden Arztes ihrer Frau?«
»Professor -«, begann Stefan automatisch, sprach aber nicht weiter, sondern fragte statt dessen: »Warum?«
»Weil er entweder ein Dummkopf ist oder ich mich mit ihm einmal ernsthaft über das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patienten unterhalten muß«, antwortete Riemann.
»Wie meinen Sie das?« fragte Robert.
»Ihre Schwester ist vollkommen gesund«, antwortete der Arzt, hob dann aber die Hände, um
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