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Wolfsherz

Wolfsherz

Titel: Wolfsherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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ihm hoch. Das Wolfslicht, das über ihren Körper strömte, löschte alle Farben aus und verlieh ihrer Haut das Aussehen von geschmolzenem Silber. Sie sah unendlich schön aus, so unglaublich
lebendig.
Ihr Körper war makellos, so unvorstellbar sinnlich, wie er ihn nie zuvor gesehen hatte, und als er zu ihr auf das Bett glitt und sie sich liebten, da war auch das wie das allererste Mal, ein Erlebnis weit jenseits von allem, was er sich bisher auch nur hatte vorstellen können. Es war wie eine Explosion der Sinne, pure, kompromißlose Lust, ohne den mindesten Beigeschmack von Schuld oder plötzlich so bedeutungslos gewordenen Begriffen wie Moral oder Konventionen.
    Erschöpft ließ sich Stefan schließlich zurücksinken und schloß die Augen. Den Sturm von Gefühlen, der für einen Moment jeden Ansatz von vernünftigen Denken hinweggefegt hatte, folgte eine ebenso totale Leere, die sich lautlos und schnell in ihm ausbreitete; schwarze Tinte in einem Glas mit kristallklarem Wasser. Er wollte sich fallenlassen; nichts erschien ihm verlockender, als die Augen zu schließen, einzuschlafen und am nächsten Morgen mit nichts anderem zu erwachen als der Erinnerung an einem vollkommen verrückten Alptraum. Aber er spürte, daß er es nicht konnte.
    Er hörte an Rebeccas Atem, daß auch sie wach war, und sah zu ihr hin. Sie lag lang ausgestreckt im silbernen Mondlicht neben ihm, noch immer so schön wie eine Statue und trotz der Intensität, mit der sie sich gerade geliebt hatten, scheinbar unendlich weit entfernt. Es war unheimlich: Sie hatten sich niemals so intensiv und kompromißlos einander hingegeben wie eben, und trotzdem fühlte er sich, als hätte er sie betrogen.
    »Was geschieht mit uns, Stefan?« fragte Rebecca in die Stille hinein. »Was... ist das?«
    Stefan setzte sich - sehr leise, um Eva nicht zu wecken - neben Rebecca im Bett auf und ließ seinen Blick abermals über ihren Körper gleiten. Was er sah, war zugleich die Antwort auf ihre Frage. Rebeccas Körper war makellos. Ihre Haut wies nicht den winzigsten Kratzer auf. Selbst die zahllosen kleinen Schrammen, Prellungen und Hautabschürfungen, welche sie während ihrer Flucht aus dem Krankenhaus davongetragen hatte, waren verschwunden. Und sie sah eindeutig jünger aus; nicht, weil sie es wirklich war - der geheimnisvolle Zauber, der von ihnen Besitz ergriffen hatte, verlieh nicht nur ihren Sinnen eine übermenschliche Schärfe, sondern ihren Körpern offensichtlich auch eine phantastische Regenerationsfähigkeit, aber er schützte sie nicht vor dem Altern. Was Rebecca um so vieles jünger aussehen ließ, das war die ungeheure Lebendigkeit, die sie ausstrahlte. Er hatte sie noch niemals so gesund gesehen wie in diesem Moment, Ihr Körper schien Energie und Tatkraft zu verströmen wie etwas Materielles, das er tatsächlich spüren und aus dem er seinerseits neue Kraft ziehen konnte. Vielleicht, dachte er - keineswegs spöttisch, sondern mit großem Ernst -, waren sie längst dabei, sich in eine Art Vampire zu verwandeln, nur, daß sie nicht vom Blut, sondern der Lebensenergie anderer lebten.
    Ohne Rebeccas Frage laut beantwortet zu haben, setzte er sich ganz auf, schwang die Beine vom Bett und schlüpfte in seine Kleider. Selbst diese durch und durch banale Handlung hatte sich verändert: Sie erschien ihm nicht mehr wie etwas Natürliches, etwas Selbstverständliches, sondern beinahe unangenehm. Die Kleider kamen ihm plötzlich wie ein Fremdkörper vor. Etwas, das nicht auf seine Haut gehörte.
    Er stand auf und trat ans Fenster. Rebecca sah ihm nach. Er konnte hören, wie sich ihr Kopf auf dem Kissen bewegte, und er fragte sich, ob auch ihre Sinne bereits jene unheimliche Hypersensibilität erreicht hatten wie seine eigenen.
    Er hoffte beinahe, daß es nicht so war. Sein gesteigertes Hör- und Geruchsvermögen und vor allem seine neugewonnenen Reflexe hatten ihnen vorhin mit großer Wahrscheinlichkeit das Leben gerettet, aber Stefan war nicht sicher, ob er auf Dauer nicht unter der Flut all dieser neuen Empfindungen zerbrechen würde. Er war ein Mensch. Sein Bewußtsein war dafür konzipiert, mit menschlichen Sinneseindrücken umzugehen. Nicht mit denen eines Raubtiers.
    Das Fenster führte auf den kunstvoll gepflasterten Platz vor der Garage hinaus. Er konnte die gesamte Zufahrt bis zum Tor hinab überblicken sowie einen Teil des Gartens. Die Beleuchtung, die Robert vorhin von der Straße aus eingeschaltet hatte, war jetzt zum Großteil wieder erloschen;

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