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Wolfsherz

Wolfsherz

Titel: Wolfsherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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malten, glitt flüchtig über Rebeccas Gesicht und blieb schließlich an Eva hängen, die zusammengerollt neben ihr schlief. Er spürte wieder dieses seltsame, vollkommen unmotivierte, aber sehr heftige Gefühl von Zuneigung, aber er gestattete sich nicht, ihm nachzugeben. Es fiel ihm sehr schwer, aber es gelang ihm, wenigstens für den Moment eine gewisse Distanz aufrechtzuerhalten. Es war wichtig, daß er das tat. Vielleicht lebenswichtig.
    Was stimmte nicht mit diesem Kind?
    Stefan trat langsam näher an das Bett heran. Eva lag auf der Seite. Sie hatte die Decke weggestrampelt und die Knie an den Leib gezogen. Ihre Hände lagen flach aufeinander unter ihrem Gesicht. Sie schlief nie wie ein Kind, dachte er, sondern wie ein junger Hund, der sich in seinem Körbchen zusammengerollt hatte, und er mußte wieder daran denken, wie sie sie gefunden hatten. Und an das, was ihm Danuta erzählt hatte, und an die unheimliche Veränderung, die mit ihm selbst vorging, und an tausend andere Dinge. Das Bild, das all diese einzelnen Puzzleteile ergaben, war so klar, daß er nicht einmal mehr davor zurückschrak. Wie konnte ihn etwas überraschen, was er längst wußte? Er
wollte
es nicht sehen, das war alles. Nicht jetzt. Noch nicht. Vielleicht in einer Stunde, morgen, in ein paar Tagen... alles, was er wollte, waren noch einige wenige kostbare Minuten, in denen er sich verzweifelt an das klammern konnte, woran er bisher geglaubt hatte.
    So leise, wie es ihm möglich war, trat er wieder vom Bett zurück, ging auf die andere Seite und beugte sich über Rebecca. Sie schlief. Ein sonderbar friedlicher Ausdruck hatte sich auf ihren Zügen ausgebreitet, vielleicht zum erstenmal seit ihrer Rückkehr aus dem Wolfsherz. Sie sah entspannt aus, trotz der tiefen Spuren, welche die Müdigkeit in ihr Gesicht gegraben hatte, und auf eine schwer zu fassende Weise lebendig; viel lebendiger als seit langer, langer Zeit. Sie hatte im Schlaf den rechten Arm um Eva gelegt, ohne sie jedoch wirklich zu berühren, und Stefan fragte sich, ob sie vielleicht allein aus der Nähe des Kindes neue Kraft zog - nicht im übertragenen, sondern im wortwörtlichen Sinne.
    Wieder sah er Eva an. Seltsam - allein die äußere Distanz schien ihm zu helfen, auch in seinen Gefühlen einen gewissen Abstand zu gewinnen. Es fiel ihm nicht leicht, aber es gelang ihm, wenigstens den
Versuch
zu einer logischen Analyse zu starten.
    Er
empfand
etwas für dieses Kind, daran bestand gar kein Zweifel, und es war etwas sehr Starkes. Aber war es wirklich
Liebet
Vielleicht war die Erklärung ja - obgleich in sich höchst kompliziert - viel simpler. Sie hatten alle drei gemeinsam um ihr Leben gekämpft. Sie waren gemeinsam geflohen, hatten sich gemeinsam ihrer Angst gestellt und sie gemeinsam überwunden. Möglicherweise sprach dieses hilflose, verwundbare Kleinkind einfach seine Beschützerinstinkte an: ein Teil der Sippe, den es zu verteidigen galt, ohne Wenn und Aber.
    Und möglicherweise war die Erklärung sogar noch simpler. Robert hatte es ausgesprochen, aber er hatte es natürlich tief in sich drinnen längst gewußt. Dieses Kind und Rebecca waren eins. Wenn Eva etwas zustieß, dann würde auch Rebecca nicht überleben. Und die einfache Konsequenz aus diesem Gedanken war, daß er in
    Wahrheit niemals das Wolfskind verteidigt hatte, sondern immer nur seine Frau. Sie gehörten zusammen. Die Sippe war alles, und jeder einzelne Teil war so wichtig wie das Ganze.
    Er beugte sich tiefer über Rebecca, hauchte ihr einen Kuß auf die Stirn und stellte fast erschrocken fest, wie sehr ihn schon diese flüchtige Berührung erregte - eindeutig
sexuell
erregte.
    Der Gedanke kam ihm selbst absurd vor; schmutzig. Doch nicht jetzt. Doch nicht in einer Situation wie
dieser.
Das war absurd.
    Trotzdem wurde es immer schlimmer. Seine Erregung erreichte ein Maß, das echtem körperlichen Schmerz so nahe kam, wie es nur ging, ohne ihn wirklich zu erreichen. Er zitterte am ganzen Leib. Er richtete sich mit einem Ruck auf, wie um aus Rebeccas Nähe zu fliehen, aber er war nicht in der Lage, sich weiter als wenige Zentimeter zu bewegen. Seine Hormone liefen Amok.
    Rebecca öffnete die Augen und sah ihn an. Sie sagte nichts, so wenig wie er.
    Es war auch nicht nötig.
Etwas
in ihr kommunizierte mit etwas in ihm, und was immer es war, es ging viel tiefer, als Worte es jemals gekonnt hätten. Sie setzte sich auf eine sonderbar grazile, fließende Art auf, streifte das Nachthemd über den Kopf und sah zu

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