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Wolfsherz

Wolfsherz

Titel: Wolfsherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Ohnmacht. Er wartete auf den reißenden, finalen Schmerz, mit dem die Bestie ihre Fänge in seine Kehle schlagen würde.
    Er kam nicht. Der Wolf hockte weiter auf seiner Brust, ein Monstrum, das ungefähr so schwer wie ein Panzer war und ihm den Atem abschnürte. Stefan mußte jedes bißchen Willenskraft dafür aufwenden, überhaupt noch Luft zu bekommen, und er konnte den heißen Atem des Wolfs in seinem Gesicht spüren. Aber aus irgendeinem Grund verzichtete der Wolf darauf, ihn zu töten. Zum zweitenmal innerhalb weniger Augenblicke.
    Stefan öffnete die Augen und blickte genau in die des Wolfs. Was er darin las, ließ ihn schaudern. Wildheit. Mordlust. Eine unvorstellbare, kompromißlose Entschlossenheit - aber auch noch mehr. Er konnte nicht sagen, was es war, nur, daß es in den Augen eines Tieres nichts zu suchen hatte. Und daß es ihn mit einem unendlichen Schrecken erfüllte; denn es war nichts Neues, nichts Unbekanntes, sondern die gleiche animalischwissende Kraft, die er auch in sich selbst fühlte.
    Als hätte der Wolf nur darauf gewartet, daß er die Lider hob und ihm in die Augen sah, hob er knurrend den Kopf und kroch dann rückwärts von Stefan herunter. Er entfernte sich ein kleines Stück, und er ließ es sogar zu, daß sich Stefan in eine halbwegs sitzende Stellung hocharbeitete. Als er sich jedoch ganz aufsetzen wollte, stieß er ein drohendes Knurren aus. Stefan erstarrte wieder.
    Sehr vorsichtig, um das Tier nicht durch eine unbedachte Bewegung doch noch zu einem Angriff zu provozieren, hob er den Kopf und sah sich nach Rebecca um. Im ersten Moment konnte er sie nicht sehen, gerade lange genug, um seine Angst wieder zu einer handfesten Panik werden zu lassen, dann sah er sie doch - allerdings fast am anderen Ende des Pools. Die beiden Wölfe hatten sie und das Mädchen auf die Metalltreppe zugetrieben, die hinunter in das Becken führte. Der Sinn dieser Aktion war sonnenklar: Die Tiere trieben sie zusammen; wie Schäferhunde, die perfekt ihre Arbeit taten.
    Rebecca bewegte sich widerwillig auf die Treppe zu. Sie hatte immer noch alle Mühe, Eva zu halten. Das Kind gab keinen Laut von sich, aber es bäumte sich mit aller Gewalt auf, schlug und trat um sich und zerkratzte Rebeccas Gesicht. Selbst bei der schlechten Beleuchtung und über die Entfernung von fast zwanzig Metern hinweg, konnte er sehen, daß ihr Gesicht und ihre Bluse schon wieder blutüberströmt waren. Die Wölfe attackierten sie ununterbrochen. Ihre Kiefer schnappten immer wieder in Rebeccas Richtung. Sie trafen sie nicht, aber nur, weil Rebecca widerwillig Schritt für Schritt vor ihnen zurückwich. Die Warnung war eindeutig. Die Wunde an Stefans Unterarm hatte aufgehört zu bluten, aber sie tat noch immer furchtbar weh, und er war plötzlich gar nicht mehr sicher, daß ihre neugewonnene Regenerationskraft ausreichte, sie auch vor lebensgefährlichen Verletzungen zu schützen.
    Schließlich gab Rebecca auf und kam rückwärts gehend die Treppe herab. Die verchromte Metallkonstruktion dröhnte unter ihren Schritten. Einer der beiden Wölfe - der Schwarze - folgte ihr in einem Meter Abstand. Der zweite wartete, bis sie die halbe Strecke hinter sich gebracht hatte, und sprang dann mit einem Satz in den Pool.
    Rebecca stolperte weiter. Die Leiter ächzte immer stärker unter ihrem Gewicht. Sie war nicht für eine solche Belastung ohne den stützenden Auftrieb des Wassers gebaut. Als sie fast unten war, kippte die gesamte Konstruktion ein kleines Stück zur Seite. Rebecca schrie vor Schrecken, sprang den verbleibenden halben Meter mit einem einzigen Satz hinunter und landete in einer hoch aufspritzenden Pfütze. Eine Wolke von Chlor- und Fäulnisgestank wehte zu Stefan herüber und ließ ihn würgen. Auch Rebecca hustete, taumelte aber trotzdem herum und kam auf ihn zugewankt. Die beiden Wölfe folgten ihr; der Schwarze dichtauf, der andere in ein paar Schritten Abstand und ein Stück versetzt, um ihr den Weg abzuschneiden, sollte sie doch einen Fluchtversuch riskieren.
    Stefan ignorierte das drohende Knurren des Wolfs und eilte ihr zwei oder drei Schritte entgegen - eigentlich, um sie zu stützen oder ihr Eva abzunehmen. Doch er hatte kaum die Kraft, sich selbst auf den Beinen zu halten. Und er war
sicher,
daß er Eva nicht würde bändigen können. Rebecca preßte sie mittlerweile so fest an sich, daß das Mädchen fast keine Luft mehr bekam. Trotzdem schlug und trat es weiter mit ungezügelter Wut um sich. Rebecca hatte sie

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