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Wolfsherz

Wolfsherz

Titel: Wolfsherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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er es für Mitleid gehalten.
    Rebecca stieß den Wolf weg. »Verschwinde!« wimmerte sie. »Laß mich in Ruhe!«
    »Gib ihm das Kind«, sagte Stefan. Er rührte sich nicht. Würde er auch nur einen Finger rühren, würden sich die beiden anderen Wölfe auf ihn stürzen und ihn in Stücke reißen, das wußte er.
    Rebecca sah mit einem Ruck hoch. Ihre Augen waren voller Tränen, aber es war nur der körperliche Schmerz. »Was?«
    »Gib ihm das Kind«, wiederholte Stefan. »Bitte! Es gehört zu ihnen. Nicht zu uns!«
    Rebecca starrte ihn an. »Nein«, flüsterte sie. Dann schrie sie dasselbe Wort noch einmal: »Nein; Niemals! Erst müßt ihr mich töten! Ihr bekommt sie nicht!«
    Sie meinte diese Worte bitterernst. Stefan wußte, daß sie bis zum letzten Atemzug um Eva kämpfen würde, wenn es sein müßte, ganz egal, gegen wen. Selbst gegen ihn.
    Die Wölfe spürten ihre Entschlossenheit ebenso wie er. Der schwarze Riese wich zwei oder drei Schritte weit in die Dunkelheit zurück, während die beiden anderen Tiere um die gleiche Distanz näher heranrückten. Stefan fragte sich, ob sie auf diese Weise Aufstellung für den letzten, entscheidenden Angriff nahmen. Sie hatten keine Gnade mehr zu erwarten. Die drei Wölfe hatten ihnen ungleich mehr Chancen gelassen, als die Tiere, auf die sie damals im Wolfsherz gestoßen waren.
    Der Angriff kam nicht, aber... irgend etwas geschah. Er spürte es, so deutlich, als bewege sich plötzlich etwas Großes und Machtvolles, etwas, das jenseits der Wirklichkeit existierte, sie aber durch sein bloßes Erwachen schon zum Erzittern brachte.
    Der Schwarze war so weit in die Dunkelheit zurückgewichen, daß er fast mit der Nacht verschmolz. Stefan konnte ihn nur noch als vagen Schatten erkennen, ein Schemen gerade am Rande des Sichtbaren, das sich nur noch durch seine Bewegung manifestierte. Etwas...
geschah
mit dem Schatten des Wolfs. Stefan konnte nicht genau erkennen, was: Er schien seine Form zu verlieren, für einen Moment eins mit der Nacht zu werden, in die er sich zurückgezogen hatte, und sich dann neu zu bilden. Er hörte eine Reihe unheimlicher, schmerzerfüllter Geräusche, Laute, die an zerbrechende Knochen und zerreißendes Fleisch erinnerten, an Formen, die zerstört und neu gebildet wurden. Ein leises, unsagbar qualvolles Wimmern. Was immer dort vor ihnen geschah, es war ein Prozeß voller unvorstellbarem Schmerz.
    Und es dauerte
lange.
    Stefans innere Uhr hatte schon vor einer Ewigkeit aufgehört zu funktionieren, aber er mußte wohl minutenlang dagestanden und in die Dunkelheit gestarrt haben.
    Schließlich hörten die furchtbaren Geräusche und das Zittern und Wogen der Schatten auf. Der Wolf stemmte sich wieder in die Höhe und trat ins Licht zurück. Nur, daß es kein Wolf mehr war.
    Es war Sonja.
    Sie hatte sich verändert. Sie wirkte jetzt älter... nein, verbesserte er sich in Gedanken, nicht älter, sondern irgendwie reifer, viel mehr Frau als Kind, als hätte sie in den vergangenen Tagen gelernt, wie sie mit diesem Körper umzugehen hatte. Ihr Haar war noch immer ungekämmt und wild, wirkte aber trotzdem mehr wie eine Frisur als wie eine Mähne, und der immer ein wenig verwirrte Ausdruck, der beim erstenmal in ihren Augen gewesen war, war verschwunden. Sie war nackt; eine sehr schöne, fast perfekt geformte Frau. Trotzdem hatte er das Gefühl, daß mit ihrem Körper irgend etwas nicht stimmte. Er begriff auch fast sofort, was es war. So schön dieser Körper auch sein mochte, er gehörte nicht ihr, sondern war kaum mehr als ein wunderschönes, perfektes Kleidungsstück, das sie übergestreift hatte, um ihr wahres Ich zu verbergen.
    Sonja kam langsam näher. Die beiden Wölfe flankierten sie, aber ihre Haltung hatte sich verändert. Sie musterten Rebecca und ihn mit der gleichen hellwachen Aufmerksamkeit wie bisher, wirkten trotzdem aber eindeutig demütig.
    »Nein«, wimmerte Rebecca. »Stefan! Was... was ist das? Hilf mir!«
    Stefan bewegte sich nicht. Diesmal jedoch nicht aus Furcht, sondern weil er es nicht konnte. Sein Part in dieser Geschichte war vorbei. Er hatte seine Chance gehabt - und vielleicht ergriffen -, und nun hatten die Dinge eine Dimension angenommen, in der er sie nicht mehr beeinflussen konnte, ganz egal, was er tat.
    Vielleicht hatte er das nie gekonnt.
    Sonja trat mit langsamen Schritten auf ihn zu, sah ihn einen Moment durchdringend an und wandte sich dann ohne ein Wort zu Rebecca um. Sie streckte die Arme aus. Stefan sah, daß Eva die

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