Wolfsherz
ganze Geschichte ist viel komplizierter, als Sie glauben. Es hat etwas mit Politik zu tun. Und Geheimhaltung. Ich weiß einfach nicht, wieviel ich Ihnen sagen
darf,
verstehen Sie doch.«
»Nein«, antwortete Dorn hart. »Das verstehe ich nicht. Bei Mord hört bei mir jegliches Verständnis auf. Ich habe einen Haftbefehl für Sie und Ihre Frau dabei, Herr Mewes. Und wenn Ihr amerikanischer Freund nicht ein paar verdammt gute Antworten für mich hat, dann stecke ich ihn gleich in die Nebenzelle.«
Er meinte das bitterernst, und ganz egal, was Robert oder auch White von Dorn halten mochten, er hatte durchaus die Möglichkeit, seine Drohung wahr zu machen.
Dorn fuhr plötzlich zusammen und sah mit konzentriertem Gesichtsausdruck nach draußen. Auch Stefan blickte einen Moment gebannt ins Dunkle. Er konnte fühlen, wie sich etwas darin bewegte, ein ruheloses Schleichen und Gleiten von einer Seite auf die andere und wieder zurück. Eine Woge von Zorn und Enttäuschung schlug ihm aus der wattigen Dunkelheit entgegen. Aber auch Respekt. Sonja und ihr Bruder mußten den Tod des Wolfs mit angesehen haben. Vielleicht waren sie einfach schockiert. Für ein Wesen, das so schwer umzubringen war wie dieses, mußte die Erkenntnis der eigenen Sterblichkeit ungleich schlimmer sein als für einen Menschen.
»Was ist dort draußen, Stefan?« fragte Dorn leise. Er deutete in die Nacht hinaus, dann auf den toten Wolf. Der Kadaver lag ganz in der Nähe der Tür, aber trotzdem so, daß man ihn nicht genau erkennen konnte. »So einen Hund habe ich noch nie gesehen. Wenn er nicht so groß wäre, würde ich sagen, es ist ein Wolf.«
»Seien Sie froh, daß Sie ihn nicht von nahem gesehen haben«, antwortete Stefan. »Rebecca und ich hatten das Vergnügen.«
»Einige der Toten im Krankenhaus hatten Bißwunden«, sagte Dorn nachdenklich. »Ich habe sie nicht selbst gesehen, aber nach dem, was mir die ermittelnden Kollegen am Telefon erzählt haben, war es kein besonders schöner Anblick.« Er deutete auf den toten Wolf. »War es dieses... Ding?«
Um ein Haar hätte Stefan sogar geantwortet. Dorn verstand seinen Job wirklich. Er brachte es fertig, ein Verhör zu führen, ohne einen zu verhören.
»Ich war nicht dabei«, antwortete er. »Aber ich nehme es an. Die Biester sind aufs Töten abgerichtet.« Er kam sich schlecht vor bei diesen Worten; als bezichtige er einen guten Freund eines Diebstahles, von dem er wußte, daß er ihn nicht begangen hatte.
»Ich habe von so etwas gehört«, sagte Dorn. »Aber ich habe es noch nie erlebt. Sind es diese Söldner?«
Stefan war nun wirklich überrascht. Er blieb vorsichtig - jedes Wort, das er Dorn
nicht
sagte, war wichtig -, aber er hatte zugleich das ungute Gefühl, daß er sich damit nur lächerlich machte. Er sagte nichts.
»Sie verschwenden nur Zeit, Stefan«, sagte Dorn kopfschüttelnd. Er wandte sich von der Tür ab, ging zur Anrichte und lehnte sich in einer vorgetäuscht lässigen Haltung dagegen. Allerdings ließ er weder die Tür dabei aus den Augen, noch steckte er seine Waffe ein, was ihm den erwünschten Effekt gründlich verdarb. Er seufzte. »Also gut. Zäumen wir den Gaul eben von hinten auf. Ich erzähle Ihnen, was ich weiß, und Sie hören einfach zu und überlegen sich dabei, ob es nicht vielleicht doch vernünftiger ist, wenn Sie mir den Rest der Geschichte verraten.«
Er löste seinen Blick von der Tür. Zum ersten Mal, seit sie das Haus betreten hatten, sah er bewußt Rebecca an; und für einen noch kürzeren Moment ruhte sein Blick auf dem Gesicht des Kindes, das sie auf dem Arm hielt. Zu Roberts Überraschung verlor er jedoch kein Wort darüber.
»Sie und Ihre Frau waren irgendwo in Bosnien, um ein Interview mit einem international gesuchten Terroristen zu rühren.«
»Söldner«, verbesserte ihn Rebecca. »Barkow war Kommandeur einer Söldnereinheit. Aber woher wissen Sie davon?«
»Ich habe ein bißchen herumgehorcht«, antwortete Dorn. »Journalisten sind ein schwatzhaftes Volk, wußten Sie das nicht? Vor allem, wenn sie sauer darüber sind, daß ihre Kollegen die Story des Jahres haben und ihnen kein Sterbenswörtchen verraten wollen.« Er lächelte knapp und wurde sofort wieder ernst. »Also - was ist passiert? Haben diesem... Barkows Ihre Fragen nicht gefallen?«
»Barkow«, verbesserte ihn Rebecca. »Und es lag nicht an unseren Fragen. Er ist tot.«
»Tot?«
Rebecca antwortete mit einer Mischung aus Nicken und Achselzucken, die wohl verdeutlichen sollte,
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