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Wolfsherz

Wolfsherz

Titel: Wolfsherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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»Geben Sie mir Ihre Pistole.«
    Barkow zögerte eine Sekunde, dann händigte er ihm die Waffe aus. Stefan nahm sie entgegen, drehte sich um und warf White einen fast beschwörenden Blick zu, ehe er sich weiterdrehte und den Wolf ansah. Das Tier lag auf der Seite und atmete nicht mehr, und für einen Moment machte sich eine nagende Sorge in Stefan breit. Er hatte mehr als einmal erlebt - zum Teil am eigenen Leib -, wie schwer diese Geschöpfe umzubringen waren. Andererseits hatte dieser Wolf in der letzten halben Stunde wirklich
verdammt viel
abbekommen, und die Theorie von seiner Unsterblichkeit war letzten Endes nicht mehr als eben das: eine - noch dazu von Stefan selbst - aufgestellte Theorie. Was, wenn sie den Wolf aus Versehen wirklich getötet hatten?
    Es gab nur eine einzige Möglichkeit, eine Antwort auf diese Frage zu bekommen.
    Stefan hob die Pistole und zielte auf den Wolf - nicht auf sein Herz oder gar den Kopf. Er wollte das Tier nicht töten oder es auch nur schwer verletzen, sondern ihm nur ein möglichst großes Maß an Schmerz zufügen, um es zu irgendeiner Reaktion zu zwingen - und der Wolf sprang mit einer fließenden Bewegung auf die Füße. Wie gerade bei White hatte er sich nur totgestellt, um das Ende seines unheimlichen Heilungsprozesses abzuwarten.
    Barkow keuchte. »Aber wie -? Er... er muß doch tot sein!«
    »So schnell sind diese Kreaturen nicht umzubringen, glauben Sie mir«, sagte Stefan grimmig. Er ergriff die Pistole mit beiden Händen, ließ sich auf ein Knie sinken und zielte auf den Wolf. Das Tier zog die Lefzen zurück und knurrte. Seine Augen funkelten drohend. Stefan zielte auf seine Brust, aber er hatte Mühe, die Waffe ruhig zu halten. Es wäre klüger gewesen, die Pistole Barkow zu geben, aber der Russe war in einer Verfassung, in der seine Reaktionen nicht mehr vorherzusagen waren.
    Der Wolf knurrte, machte einen einzelnen Schritt, der ihn direkt unter die Badezimmertür brachte, und blieb wieder stehen. Sein Blick irrte von Stefan zu White und Barkow und wieder zurück. Er taxierte seine Gegner und suchte wahrscheinlich nach der schwächsten Stelle in ihrer Front. Die Warfen, die Stefan und der Amerikaner auf ihn richteten, flößten ihm durchaus Respekt ein. Sie vermochten ihn vielleicht nicht zu töten, aber sie konnten ihm Schmerzen zufügen, und der Werwolf wußte das. In dem Raubtierkörper, den er bewohnte, lauerte noch immer ein messerscharfer menschlicher Verstand - und die Instinkte von etwas, das viel älter und viel, viel gefährlicher war.
    Den Bruchteil einer Sekunde, bevor sich das Tier abstieß, spürte Stefan seine Absicht und zog den Abzug der Pistole durch. Der Knall, mit dem sich die Waffe entlud, und das langgezogene Heulen des Wolfs vermischten sich zu einem einzigen, widerhallenden Laut. Der Rückstoß warf Stefans Arme nach oben und riß ihm beinahe die Waffe aus den Händen, und die Kugel verfehlte die Brust des springenden Wolfs und riß nur eine lange, blutige Furche in seine Flanke. Das Tier flog fast einen Meter über Stefan hinweg, prallte gegen Barkow und riß ihn von den Füßen. Seine Kiefer schnappten nach Barkows Kehle und verfehlten sie um
    Millimeter, dann prallten sie beide auf den Boden und rollten in verschiedenen Richtungen auseinander.
    Barkow und der Wolf kamen praktisch gleichzeitig wieder auf die Füße. Der Wolf heulte vor Mordlust und fletschte die Zähne, aber auch Barkow war nicht wehrlos. In seiner Hand blitzte plötzlich ein Messer mit einer fast zwanzig Zentimeter langen, einseitig gezahnten Klinge. Als der Wolf ihn ansprang spreizte er die Beine, drehte blitzschnell den Oberkörper und ließ die Bestie an sich vorüberfliegen. Sein Arm stieß gleichzeitig vor. Das Messer schlitzte den Leib des Wolfs von der Brust bis zu den Hinterläufen auf. Die Bestie stürzte in einem Durcheinander aus spritzendem Blut und hervorquellenden Eingeweiden zu Boden und blieb heulend und in wilder Wut mit den Beinen zuckend liegen.
    Der Heilungsprozeß setzte fast augenblicklich ein.
    Vor den ungläubig aufgerissenen Augen Whites und des Russen begann sich das zerstörte Gewebe des Wolfs aufzulösen und zu einem brodelnden, kochenden Protobrei zu werden, etwas, das selbst von eigenständigem, zielbewußtem Leben erfüllt zu sein schien und sich neu und unversehrt zu bilden begann.
    White schrie auf, hob seine Waffe und schoß. Der Schädel des Wolfs explodierte regelrecht. Der Körper des weißen Giganten erschlaffte und fiel zurück, um

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