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Wolfsherz

Wolfsherz

Titel: Wolfsherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Hang unter dem Haus ankam, war er nur noch als Schemen zu erkennen.
    So dicht hinter Rebecca, wie es gerade noch ging, kletterte Stefan ebenfalls in das Loch hinab. Der Wind schlug nach seinen Beinen. Seine jähe Kraft überraschte ihn so sehr, daß er um ein Haar den Halt verloren hätte und eine kostbare Sekunde damit verlor, sich festzuklammern, und es war so kalt, daß er das Gefühl hatte, in eisiges Wasser zu tauchen.
    Die Tür explodierte mit einem berstenden Schlag, eine halbe Sekunde, bevor Stefan vollends durch das Loch im Boden tauchte, und ein halbes Dutzend Gestalten in weißen Tarnanzügen versuchte gleichzeitig in den Raum zu stürmen. Stefan kletterte noch schneller und wich gleichzeitig nach links aus. Über ihnen polterten schwere Schritte heran, ein Durcheinander schreiender Stimmen, und sonderbarerweise fielen immer noch vereinzelte Schüsse. Stefan versuchte verzweifelt, nicht an das zu denken, was in wenigen Sekunden geschehen würde, und kletterte mit verbissener Kraft weiter.
    Der Weg war nicht einmal sehr weit; vielleicht drei, allerhöchstens vier Meter, und die Stützbalken und Streben bildeten eine hinlängliche Leiter. Trotzdem schafften sie es nicht ganz. Stefan hatte vielleicht noch einen Meter vor sich, als von oben ein gebrüllter Befehl erscholl. Er verstand ihn nicht, und wer immer ihn geschrien hatte, hätte ihm auch gar keine Zeit gelassen, darauf zu reagieren.
    Ein ratternder Feuerstoß aus einer automatischen Waffe tastete nach Stefan und ließ nur Zentimeter neben seinem Gesicht fingerlange Splitter aus dem Holz fliegen; dünne, spitze Geschosse, die durch ihre Geschwindigkeit ebenso tödlich sein mochten wie die MPi-Salve.
    Stefan drehte mit einer verzweifelten Bewegung den Oberkörper zur Seite und verlor dadurch endgültig den Halt. Er fiel, prallte zwei-, dreimal mit Rücken und Oberschenkeln gegen Balken und dann ungleich härter auf den felsigen Boden. Fast beiläufig registrierte er, daß Rebecca auf der anderen Seite sicher den Boden erreichte und mit zwei, drei gewaltigen Sätzen in der Dunkelheit verschwand. Wenigstens war sie gerettet.
    Er selbst vielleicht nicht. Dicht neben ihm spritzten Funken aus dem Fels. Irgend etwas fuhr wie ein glühender Fingernagel durch sein Gesicht, und er spürte, wie Blut über seine Wange lief und an seinem Kinn hinabtropfte. Hastig wälzte er sich herum, stemmte sich auf Hände und Knie hoch und erstarrte, als etwas Kleines, Dunkelgrünes mit rautenförmig zerfurchter Oberfläche direkt vor seinem Gesicht aufprallte.
    Was ihn rettete, war das starke Gefälle des Hanges. Die Handgranate hüpfte wie ein Gummiball wieder in die Höhe und verschwand in der Dunkelheit, um zwei Sekunden darauf mit einem schon fast absurd undramatischen Knall zu explodieren.
    Er hatte keine Zeit, erleichtert zu sein. Die Russen hatten aufgehört, auf ihn zu schießen, und sie warfen auch keine Handgranaten mehr, aber das bedeutete nicht, daß es vorbei war. Im Gegenteil. Ein rascher Blick nach oben zeigte ihm, daß gleich mehrere Soldaten damit begonnen hatten, auf die gleiche Weise wie er, Rebecca und Wissler herunterzusteigen; allerdings sehr viel schneller.
    Stefan sprang hoch, verlor auf dem abschüssigen Boden beinahe den Halt und stürmte mit rudernden Armen - und immer schneller werdend - in die Dunkelheit hinein. Er hatte nicht die mindeste Ahnung, wie weit sich der Hang nach unten erstreckte. Er wußte nur, daß er tot war, wenn es mehr als einige Schritte waren. Das Gefälle betrug mindestens dreißig Grad. Er wurde immer schneller, ob er wollte oder nicht. Ein Sturz mußte zu schweren Verletzungen führen, wenn nicht tödlichen.
    Er fiel tatsächlich, aber er mußte eine ganze Kompanie Schutzengel haben. Was ihn zu Fall brachte, war der jähe Knick, mit dem die Neigung der Böschung wieder in einem halbwegs erträglichen Winkel überging, und er schlug nicht auf dem felsigen Boden auf, sondern vollführte einen grotesken Dreiviertelsalto, an dessen Ende er in einem dichten Gebüsch landete. Die hartgefrorenen Aste brachen wie Glas und fügten ihm mindestens ein Dutzend kleiner Schnitt- und Rißwunden zu, aber die schlimmste Wucht des Sturzes war gebrochen.
    Benommen blieb er einige Momente lang liegen. Sein Herz klopfte, und er fühlte, daß er blutete, aber er spürte nicht den mindesten Schmerz. Das größere Wunder allerdings war, daß er sich bewegen konnte, als er es versuchte. Gegen jede Wahrscheinlichkeit - und vor allem: gegen seine feste

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