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Wolfsherz

Wolfsherz

Titel: Wolfsherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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raschen, nervösen Blick den Himmel über dem Fluß ab, ehe er antwortete: »Es sind nur Gerüchte. Dummes Gerede. Jedenfalls habe ich es bisher dafür gehalten. Erinnern Sie sich, was ich Ihnen über dieses Tal hier erzählt habe und die Menschen hier?«
    »Flüchtig«, sagte Stefan spöttisch.
    »Die Menschen hier sind sehr abergläubisch«, sagte Wissler. »Sie sind zwar Christen, aber das hindert sie nicht daran, auch an Geister und Dämonen zu glauben, wissen Sie? All die Dinge, über die wir aufgeklärten Zivilisationsmenschen nur lachen: Dämonen, Vampire, Hexen, Werwölfe...«
    »Ich verstehe«, sagte Stefan sarkastisch. »Sie wollen mir erzählen, daß wir zufällig über eine Werwolffamilie gestolpert sind.«
    »Nein«, antwortete Wissler. »Über das
Opfer
für die Werwölfe.«
    »Was?!«
    Wissler nickte abgehackt. »Ich habe nicht alles über das Wolfsher?: erzählt«, sagte er. »Ich habe es nicht für wichtig gehalten, aber die
ganze
Geschichte ist, daß die Menschen hier tatsächlich glauben, daß in diesem Tal Werwölfe leben.«
    »Lächerlich«, sagte Stefan.
    »Natürlich«, bestätigte Wissler. »Für uns. Für Sie und mich und die ganze sogenannte zivilisierte Welt dort draußen. Für die Menschen hier nicht. Sie leben seit Jahrhunderten in der Nähe dieses Tales, und sie glauben seit Jahrhunderten an all diese Dinge. Sie haben sich... arrangiert.«
    »Arrangiert?« Im Grunde hatte Stefan längst begriffen, was Wissler meinte. Aber der Gedanke war so ungeheuerlich und zugleich so grotesk, daß er es einfach nicht glauben
wollte.
    »Sie geben den Wölfen, was sie wollen, und die Wölfe lassen sie dafür in Frieden.«
    Stefan starrte ihn ungläubig an. »Sie meinen, sie... opfern ihnen ihre
Kinder?.«
keuchte er.
    Er hatte lauter gesprochen, als er eigentlich wollte, und sah erschrocken zu Becci zurück. Sie stand nur ein paar Schritte entfernt, konzentrierte sich aber ganz auf das Mädchen, so daß sie nichts von ihrem Gespräch mitbekommen zu haben schien. Gottlob.
    »Nicht alle ihre Kinder«, antwortete Wissler. »Nur wenige und zu bestimmten Gelegenheiten. Ich weiß auch nichts Genaues. Bis vor wenigen Minuten habe ich es nur für ein Gerücht gehalten, aber jetzt... Angeblich bringen sie das Kind in einer bestimmten Nacht des Jahres an den Rand des Tales, wo es von den Wölfen geholt wird.«
    »Das ist...«
    »Barbarisch?« unterbrach ihn Wissler. Er nickte. »Stimmt. Aber es ist ganz offensichtlich so. Zwanzigstes Jahrhundert oder nicht, die Zeit der Menschenopfer scheint wohl doch noch nicht ganz vorüber zu sein.«
    Es lag Stefan auf der Zunge, zu sagen, daß Wisslers eigener Anteil daran auch nicht eben klein war, aber er schluckte die Bemerkung herunter. So sehr ihn Wisslers Geschichte auch schockierte, sie machte alles noch viel komplizierter. »Meine Frau darf nichts davon erfahren«, sagte er ernst. »Haben Sie das verstanden?«
    Erneut warf Wissler Rebecca einen sehr langen, nachdenklichen Blick zu, ehe er antwortete. »Ich glaube ja.« Er nickte. »Der Hubschrauber kommt, hören Sie?«
    Stefan lauschte, aber Wissler mußte über ein weitaus schärferes Gehör verfügen als er, denn es verging noch fast eine Minute, bis auch er ein neues Geräusch im leisen Flüstern des Waldes und den Stimmen des Windes identifizierte: das gedämpfte, aber unverkennbare Rotorgeräusch eines Helikopters.
    »Los!« sagte Wissler entschlossen. »Kommt.«
    Sie traten aus den Bäumen hervor. Stefan spürte plötzlich wieder, wie eisig der Wind war, und er war sich sehr deutlich der Tatsache bewußt, daß sie in ihrer dunklen Kleidung ein perfektes Ziel auf dem Schnee bildeten, der den Boden am Flußufer bedeckte. Mit Ausnahme des Soldaten, den der Wolf getötet hatte, waren sie noch auf keine Spuren der Russen gestoßen, aber das bedeutete nicht, daß sie nicht da waren. Ganz und gar nicht.
    Er sah nervös nach oben. Das Rotorengeräusch war näher gekommen, aber von dem Hubschrauber selbst war noch nichts zu sehen. Wahrscheinlich flog der Pilot sehr tief über den Bäumen an, um kein Ziel zu bieten, so daß sie die Maschine überhaupt erst sehen würden, wenn sie zur Landung ansetzte.
    Oder das Feuer auf sie eröffnete.
    Wer sagte ihm eigentlich, daß es nicht ein russischer Hubschrauber war, dessen Motorengeräusch sie hörten?
    »Was ist das?« fragte Rebecca plötzlich. Ihre Stimme klang so erschrocken, daß Stefan und Wissler sich gleichzeitig und sehr schnell zu ihr herumdrehten. »Hört

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