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Wolfsherz

Wolfsherz

Titel: Wolfsherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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vermutete, daß sie bereits ungeduldig auf ihn wartete. Sie hatte ihm schon vor einer Woche gesagt, daß sie es nicht für nötig hielt, daß er sie jeden Tag besuchte und vier oder fünf Stunden an ihrem Bett verbrachte; Rebecca wußte, wie sehr er Krankenhäuser haßte und noch viel mehr
Krankenbesuche.
Aber sie hatte auch gleichzeitig gewußt, daß er trotzdem jeden Tag kommen würde, selbst wenn es noch Monate dauerte. Und auch wenn ihnen allmählich sowohl der Gesprächsstoff als auch die Geduld ausging:
    Rebecca hatte es weitaus schlimmer erwischt als ihn. Sie hatte drei üble Bißwunden in Schulter, Bauch und Hüfte davongetragen, und sie hatte weitaus weniger Glück gehabt als er. Eine ihrer Wunden hatte sich entzündet, und sie litt mittlerweile wohl mehr unter den Nebenwirkungen von Cortison und anderen Mitteln, mit denen die Ärzte sie vollpumpten, als an der an sich harmlosen Verletzung.
    Es war ihm bisher erfolgreich gelungen, den Gedanken nicht vollkommen an sich heranzulassen, aber natürlich war ihm klar, daß sie mindestens noch zwei oder drei weitere Wochen in dieser Klinik verbringen mußte, wenn nicht mehr.
    Als er ihr Zimmer betrat, fand er es leer. Ihr Bett war aufgeschlagen und benutzt, aber der Rollstuhl war nicht da, und die Tür zum Badezimmer stand weit genug offen, um ihn mit einem Blick erkennen zu lassen, daß es leer war. Verwirrt und mit einem Gefühl der Hilflosigkeit erfüllt - aber auch ein ganz kleines bißchen beunruhigt - blieb er einige Sekunden stehen, sah sich ratlos um und ging dann zum Schwesternzimmer.
    Wahrscheinlich nur, um dem Gesetz der Serie Genüge zu tun, fand er es leer vor und mußte gute fünf Minuten warten, bis eine der Krankenschwestern hereinkam.
    »Wo ist meine Frau?« fragte er, ohne sich mit einer Begrüßung aufzuhalten. Seine Stimme, vielleicht auch sein Gesichtsausdruck, mußten wohl erschrockener und besorgter wirken, als ihm selbst klar war, denn die Schwester beeilte sich, ihr zuversichtlichstes Lächeln aufzusetzen und ihm kopfschüttelnd und mit einer besänftigenden Geste zu antworten:
    »Keine Sorge. Ihr fehlt nichts. Sie ist nur zur Kinderstation hinübergegangen. »Zur Kinderstation?«
    »Wir waren nicht sehr begeistert darüber«, bestätigte die Schwester, »und der Chefarzt wird es noch viel weniger sein, wenn er davon hört, aber wir konnten sie nicht davon abhalten.«
    »Ist irgend etwas mit... dem Mädchen?« fragte Stefan.
    Die Schwester hob die Schultern. »Ich weiß es nicht. Ihr Schwager ist vor einer halben Stunde gekommen, und ein paar Minuten später -«
    »Mein Schwager?« Stefan runzelte ärgerlich die Stirn. Stefans Stimme klang schärfer, als er beabsichtigt hatte. Er erschrak beinahe selbst über seine Reaktion. Er hatte nichts gegen Robert - im Gegenteil. Rebeccas Bruder und er vertrugen sich im allgemeinen sehr gut, und es gab eine Menge Dinge, in denen sie auf der gleichen Wellenlänge lagen, aber nicht alle. In manchen Punkten waren sie verschiedener Meinung und in einigen wenigen sogar
entschieden
unterschiedlicher, zum Beispiel, was Rebecca und das Mädchen aus dem Wolfsherz anging.
    Er bedankte sich bei der Schwester, verließ die Station und fuhr mit dem Aufzug wieder ins Erdgeschoß hinunter. Die Kinderklinik lag am anderen Ende des Krankenhausgeländes. Obwohl er so schnell ging, wie es gerade noch möglich war, ohne wirklich zu laufen, brauchte er gute fünf Minuten, um den schmucklosen Betonbau zu erreichen. Robert und Becci mit ihrem Rollstuhl mußten mindestens die dreifache Zeit benötigt haben, und er wußte gut genug über ihren Zustand Bescheid um zu wissen, welche Anstrengung es für sie bedeutet haben mußte.
    Sein Arger auf Robert stieg. Ein wenig außer Atem, erreichte er die Kinderklinik, fuhr mit dem Aufzug in die sechste und oberste Etage hinauf und steuerte die Glastür zur Intensivstation an. Er mußte klingeln, um eingelassen zu werden, ignorierte aber sowohl die säuberlich neben der Tür aufgehängten grünen Kittel wie auch die beiden umfunktionierten Standaschenbecher, in denen Überschuhe und Kopfhauben bereitlagen. Das Personal hier kannte ihn bereits und wußte, daß er nicht vorhatte, eines der Zimmer zu betreten.
    Nach einer nervend langen Wartezeit wurde die Tür geöffnet. Die Schwester setzte ganz automatisch dazu an, ihn zurechtzuweisen, weil er die Schutzkleidung nicht angelegt hatte, dann aber erkannte sie ihn und trat mit einer einladenden Kopfbewegung zur Seite und sagte:
    »Herr

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