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Wolfsherz

Wolfsherz

Titel: Wolfsherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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und er als Freiberufler arbeiteten, bedeutete nicht, daß es niemanden gab, der glaubte, einen Anspruch auf sie und die Ergebnisse ihrer Arbeit zu haben.
    Irgendwie war es ihm bisher gelungen, Rebecca zumindest vor den meisten seiner zudringlichen Kollegen zu beschützen, aber das würde nicht mehr lange so bleiben. Die Meute witterte eine Story, und sie wollte sie haben. Daß er dazugehörte, verschaffte ihm eine kleine Gnadenfrist, aber keinen Freibrief. Stefan fragte sich, ob Becci und er auf Außenstehende wohl genauso wirkten, wenn sie hinter einer Geschichte her waren, und er kam als Antwort auf ein zwar unangenehmes, aber eindeutiges Ja.
    Vielleicht war es ein Akt höherer Gerechtigkeit, daß sie nun einmal die andere Seite der Medaille kennenlernten, und vielleicht würden sie sich in Zukunft daran erinnern, wenn das alles hier vorbei war und sie sich wieder in die Meute einreihten, die auf der niemals endenden Jagd nach Neuigkeiten und Sensationen war. Vielleicht. Aber wahrscheinlich nicht. Nichts geriet so schnell in Vergessenheit wie gute Vorsätze. Selbst solche, die aus eigener schlechter Erfahrung geboren waren.
    Ein leises »Ping« drang in seine Gedanken. Stefan sah hoch und erkannte, daß die Digitalanzeige nun seine Nummer zeigte. Rasch legte er die Zeitschrift auf den Tisch, die ohnehin nur zwar aufgeschlagen, aber ungelesen auf seinen Knien gelegen hatte, stand auf und betrat den Untersuchungsraum.
    Der Arzt war noch nicht da, und bevor die Krankenschwester auch nur etwas sagen konnte, knöpfte er bereits sein Hemd auf, warf es ab und rollte noch im Hinsetzen das linke Hosenbein bis nach oben. Die Schwester betrachtete ihn stirnrunzelnd, sagte aber nichts dazu. Sie war neu; jedenfalls hatte er ihr Gesicht hier noch nicht gesehen, und vielleicht war sie gelehrige Patienten wie ihn nicht gewohnt. Was Stefan anging, tat er das nicht, um ihr die Arbeit zu erleichtern oder sie zu beeindrucken; er wollte die unangenehme Prozedur nur so schnell wie möglich hinter sich bringen.
    Die Schwester legte einen grauen Schnellhefter mit seinem Namen und einer ellenlangen Ziffernkombination darunter auf den schmucklosen Schreibtisch, der neben der Untersuchungsliege stand, klappte ihn auf und verließ ohne ein weiteres Wort das Zimmer. Stefan war wieder allein, und er wartete wieder. Er testete seine Willensstärke, indem er nicht alle paar Sekunden auf die Uhr sah, aber er schätzte, daß mindestens weitere zehn Minuten vergingen, ehe die Tür sich endlich wieder öffnete und Dr. Krohn hereinkam.
    Der Arzt begrüßte ihn mit einem wortlosen Nicken, ignorierte den Ordner mit seiner Krankengeschichte und begann sofort und immer noch ohne ein einziges Wort gesagt zu haben, den Verband von seinem linken Oberarm zu entfernen.
    Stefan biß die Zähne zusammen. Es tat weh; nicht sehr, aber es war jene Art von Schmerz, die nicht einmal besonders heftig, trotzdem aber kaum auszuhalten war. Er beherrschte sich, konnte aber ein erleichtertes Aufatmen nicht unterdrücken, als Krohn endlich den Verband von seinem Oberarm und der Schulter entfernt hatte und ihn achtlos zu Boden warf.
    »Das sieht ja alles schon sehr schön aus«, sagte der Arzt. »Ihre Heilung macht gute Fortschritte. Anscheinend sprechen Sie ganz ausgezeichnet auf die Medikamente an.« Er schwieg eine halbe Sekunde, dann legte er den Kopf schräg und fügte in leicht mißtrauischem, aber auch fast vorwurfsvoll klingendem Ton hinzu: »Sie nehmen sie doch, oder?«
    »Natürlich«, antwortete Stefan - was nicht ganz der Wahrheit entsprach. Die Mittel, die Krohn und seine Kollegen ihm in den letzten beiden Wochen verschrieben hatten, hätten ausgereicht, eine mittlere Schiffsapotheke zu füllen. Er hatte die Waschzettel gelesen und dann für sich entschieden, was davon er nehmen und was er in der Toilette herunterspülen sollte. Offensichtlich hatte er die richtige Wahl getroffen.
    »Dann ist es ja gut«, sagte Krohn. Er rutschte mit seinem Stuhl ein kleines Stück zurück, beugte sich vor und begann den Verband von Stefans Wade abzuwickeln, was entschieden mehr weh tat. »Entschuldigen Sie meine Frage, aber Sie glauben ja nicht, wie viele Patienten hierherkommen und erwarten, daß ich
    Wunder vollbringe, und dann nichts von den Mitteln nehmen, die ich ihnen verschreibe.« Er riß das Ende des Verbandes mit einem Ruck von Stefans Bein - Stefan unterdrückte im letzten Moment einen Schmerzensschrei -, betrachtete die Wunde eingehend und sagte dann fast

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