Wolfsherz
Schwager eine Gegenfrage. »Wessen Idee war es, mit diesem Söldnergeneral zu reden? Deine?«
Stefan schüttelte den Kopf. »Rebeccas.«
»Und du konntest sie nicht von diesem Wahnsinn abhalten?«
»Der Mensch, der Rebecca von irgendwas abbringen kann, das sie sich einmal in den Kopf gesetzt hat, muß erst noch geboren werden«, erwiderte Stefan. »Außerdem war es nicht ganz so schlimm, wie du glaubst. Barkow wollte dieses Interview.«
»Wer hat das gesagt«, wollte Robert wissen. »White?«
»White?« wiederholte Stefan fragend.
»Wisslers wirklicher Name«, erwiderte Robert. »Wie gesagt, ich habe mich ein bißchen umgehört.«
»Was für ein originelles Pseudonym«, murmelte Stefan. »Aber du hast recht: Er war die Kontaktperson.«
»Und ich nehme an, er hat euch auch angesprochen?« vermutete Robert. »Ich dachte, du wüßtest bereits alles«, antwortete Stefan gereizt.
Sein Schwager überging auch diese neuerliche Herausforderung. Er machte zwar ein mißbilligendes Gesicht, aber seine nächsten Worte machten Stefan klar, daß es nicht ihm galt. »Irgendwann wird sich Rebecca umbringen, bei einer ihrer Wahnsinnsaktionen. Du solltest wirklich ein bißchen besser auf sie achtgeben.« »Wozu?« fragte Stefan. »Dafür hat sie ja dich.«
Diesmal reagierte Robert. Er drehte den Kopf, starrte ihn durchdringend geschlagene fünf Sekunden lang an und wandte den Blick dann wieder nach vorne. »Du bist wütend, weil sie mich um Hilfe gebeten hat, und nicht dich«, sagte er. »Aber weißt du, das ist nicht meine Schuld. Ihr seid jetzt seit zwei Wochen zurück, aber ihr habt noch nicht einmal über Eva gesprochen, nicht wahr?«
Stefan hätte diese Frage mit Ja oder auch Nein beantworten können, und beides wäre wahr gewesen. Natürlich hatten sie über das Kind gesprochen, oft, viel zu oft sogar, für seinen Geschmack. Aber sie hatten niemals darüber geredet, was weiter mit ihm geschehen sollte. Für Rebecca stand völlig außer Frage, daß sie es behalten würden. Das Schicksal hatte ihr zurückgegeben, was es ihr vor Jahren in einem Akt sinnloser Grausamkeit genommen hatte, und diese Tatsache war für sie so fest zementiert, daß sie nicht einmal bereit gewesen war, auch nur darüber zu reden. Und Stefan hatte bisher einfach nicht den Mut aufgebracht, sie zu diesem Gespräch zu zwingen.
»Im Moment steht das gar nicht zur Debatte«, sagte er ausweichend. »Es kann noch Wochen dauern, bis das Kind aus dem Krankenhaus entlassen wird.« »Warum nennst du eigentlich nie ihren Namen?« fragte Robert.
»Weil ich...« begann Stefan. Er brach ab, suchte einen Moment vergeblich nach Worten, und dann explodierte er regelrecht: »Verdammt, was soll das eigentlich? Hast du mich zu dieser kleinen Spazierfahrt eingeladen, um mir klarzumachen, daß die Entscheidung bereits gefallen ist?«
»Was Rebecca angeht, ja«, antwortete Robert. Er blieb ganz ruhig. Für den Bruchteil einer Sekunde erschien sogar fast so etwas wie ein zufriedener Ausdruck auf seinem Gesicht, aber Stefan war nicht ganz sicher, ob er ihn sich nicht nur einbildete.
»Es ist aber keine Entscheidung, die nur sie allein fällt«, sagte er, jetzt nicht mehr schreiend, aber immer noch in erregtem Ton und bebender Stimme.
»Da wäre ich nicht so sicher«, antwortete Robert. »Du hast recht, ich wollte mit dir reden. Es gibt da ein paar Dinge, die wir klären müssen. Ich fühle mich verpflichtet, dich zu warnen, Stefan.«
»Warnen?« Stefans Zorn kochte schon wieder hoch. Seine Stimme wurde schärfer. »Was kommt jetzt? Kehrst du den Mafia-Paten heraus? Wer meine Schwester anrührt, der hat sein Leben verwirkt?«
Robert lachte. »Ich würde es nicht so kraß ausdrücken, aber es ist wahr: Wenn Rebecca etwas passieren sollte, würde ich es dir nie verzeihen.« Seine Stimme war plötzlich leiser geworden und sehr eindringlich, als er fortfuhr: »Stefan, ich weiß, daß du mich nicht besonders magst. Doch laß dir von mir eines sagen:
Wenn du Rebecca zwingst, sich zwischen dir und Eva zu entscheiden, wirst du verlieren.«
Genau das war der Grund, aus dem Stefan dieses Gespräch bisher nicht mit ihr geführt hatte. Er hatte sich diesem Kampf bisher nicht gestellt, weil er genau wußte, daß es gar keinen Kampf geben würde. Er hatte es in jenem Moment im Wolfsherz begriffen, als er sah, wie Rebecca das nackte, schreiende Bündel an sich preßte, und er hatte diesen Gedanken bisher zwar nicht völlig an sich heran gelassen, ihn aber auch nicht ganz
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