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Wolfsherz

Wolfsherz

Titel: Wolfsherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Erinnerung blitzte in seinen Gedanken auf, aber der Gedanke entglitt ihm wieder, bevor er ihn zu Ende denken konnte. Es gab im Moment auch wahrlich Wichtigeres.
    »Was, um alles in der Welt, sollte denn das?« fragte er, gleichzeitig an Becci und seinen Schwager gewandt. Rebecca sah ihn nur trotzig an. Robert lächelte und enthielt sich im übrigen ebenfalls einer Antwort. Stefan sah ihm an, daß er sich nicht sehr wohl in seiner Haut fühlte. »Also?« Er wandte sich direkt an Rebecca.
    »Ich habe Robert gebeten, mir zu helfen«, antwortete sie in schnippischem, herausforderndem Ton.
    »Das habe ich gemerkt«, antwortete Stefan. Er bemühte sich immer noch, ruhig zu bleiben, auch wenn es ihm zunehmend schwerer fiel. Es hatte keinen Sinn, wenn sie sich jetzt auch noch stritten; auch wenn er das fast sichere Gefühl hatte, daß es über kurz oder lang so kommen würde. »Und warum nicht mich?«
    »Hättest du es getan?« wollte Rebecca wissen.
    »Selbstverständlich«, antwortete Stefan. »Aber vielleicht nicht so.« Er drehte sich zu Robert um. »Das war das mit Abstand Unvernünftigste, das ich jemals von dir gehört habe.«
    »Ich weiß, wie man mit solchen Leuten umgeht«, erwiderte Robert. Stefans Worte schienen ihn nicht sonderlich beeindruckt zu haben. »Glaub mir - sie kocht im Moment innerlich vor Zorn, aber sie weiß auch, daß es nicht sehr viel gibt, was sie tun kann. Wenn wir uns das nächste Mal treffen, dann komme ich ihr ein, zwei Schritte entgegen, und sie wird vor lauter Freundlichkeit alles tun, was wir wollen.«
    »Aber warum?« fragte Stefan verwirrt. »Wozu diese... Farce? Die Frau tut nur ihre Pflicht.«
    »Ja, genau diese Antwort habe ich von dir erwartet«, sagte Rebecca.
    »Und was hast du sonst noch erwartet?« gab Stefan in etwas schärferem Ton, aber immer noch halbwegs beherrscht, zurück. »Ich meine, sie hat völlig recht. Ganz egal, unter welchen Umständen wir dieses Kind gefunden haben, es gibt Gesetze und Regeln, an die auch wir uns halten müssen. Hast du geglaubt, wir könnten sie einfach mitbringen und behalten wie einen Hund, der uns zugelaufen ist?«
    »Bitte!« Robert hob besänftigend die Hand. »Jetzt geht euch nicht gegenseitig an die Kehlen. Das nützt keinem.« Er sah auf die Uhr, stand auf und machte eine Geste zur Tür. »Mein Flugzeug geht in einer guten Stunde. Es wird allmählich Zeit für mich.«
    Stefan blieb an diesem Tag nicht bis zum Ende der Besuchszeit wie sonst, sondern nahm Roberts Angebot an, ihn mit dem Wagen mit in die Stadt zurück zu nehmen. Für seinen Schwager bedeutete das einen Umweg, und selbst wenn alles glatt ging, würde er auf diese Weise länger brauchen als mit der U-Bahn, aber er hatte das sichere Gefühl, daß es nicht gut gewesen wäre, noch länger zu bleiben. Und er mußte dringend mit Robert reden.
    Auf dem Weg zurück zu Rebeccas Station hatten sie kein Wort mehr miteinander gewechselt, und auch die Fahrt mit dem Aufzug hinunter in die Tiefgarage legten sie in unangenehmem Schweigen zurück. Stefan spürte, daß auch sein Schwager sich nicht sonderlich wohl in seiner Haut fühlte; dabei gehörte
    Robert Riedberg normalerweise nicht zu den Menschen, die irgend etwas gegen ihre Überzeugung taten. Stefan hatte mehr und mehr das Gefühl, daß an diesem Morgen weitaus mehr vorgefallen sein mußte, als man ihm bisher gesagt hatte.
    Erst, als sie im Wagen saßen und sein Schwager den Motor gestartet hatte, brach er das immer unbehaglicher werdende Schweigen. Er hatte sich sorgsam überlegt, wie er das Gespräch beginnen sollte, aber plötzlich war alles weg. Statt dessen polterte er los:
    »Sag mal, was sollte das? Erklär es mir bitte, ich verstehe es nämlich echt nicht.«
    Robert schaltete das Licht ein, fuhr los und drückte den elektrischen Fensterheber, als sie sich dem Automaten an der Ausfahrt näherten. »Ich weiß, daß es sinnlos war«, sagte er seufzend. »Und du hast recht: auch nicht besonders klug. Aber ich war es Rebecca schuldig.«
    »Was?« fragte Stefan. »Dich wie ein Dummkopf zu benehmen? Mein Gott, Robert, wenn du diese Frau gegen mich und Becci aufbringen wolltest, hast du es geschafft. Ich dachte immer, du könntest mit Menschen umgehen.«
    »Das ist nicht das Problem«, erwiderte Robert. Er hielt an und beugte sich ächzend aus dem Fenster, um die kleine Chipkarte in den Automaten zu schieben.
    Stefan registrierte beiläufig, daß es keines der kleinen Pappkärtchen war, wie sie Normalsterbliche an der Einfahrt

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