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Wolfsherz

Wolfsherz

Titel: Wolfsherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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lauter als beim erstenmal. Stefan machte einen Schritt in Richtung Tür, blieb wieder stehen. Für einen Moment war er wie gelähmt. Obwohl es eigentlich gar keinen Grund dafür gab, drohte er in Panik zu geraten.
    »Ich... ich komme!« rief er. Das Telefon klingelte wieder. Stefan ignorierte es, ging rasch zur Tür und öffnete, ohne zuvor einen Blick durch den Spion geworfen zu haben. Eigentlich entsprach das nicht seiner normalen Gewohnheit; er hatte es sich schon lange zu eigen gemacht, jeden Besucher einer kritischen Musterung zu unterziehen, der draußen vor der Tür stand - selbst wenn er wußte, wer es war. Heute brach er mit dieser Gewohnheit, und vermutlich war das auch gut so, denn im gleichen Augenblick, in dem er die Tür öffnete, hob einer der vier Männer, die draußen auf dem Flur standen, die Hand, um vermutlich lautstark anzuklopfen und ebenso vermutlich noch lauter:
Aufmachen, Polizei!
zu rufen. An der Identität der Besucher gab es keinen Zweifel: Zwei von ihnen trugen normale Zivilkleidung, während die beiden anderen in grüne Polizeiuniformen gehüllt waren.
    Stefan warf einen nervösen Blick nach rechts und links, bevor er sich an den Mann wandte, der geklingelt hatte. Auf dem Korridor war niemand zu sehen, aber er glaubte die neugierigen, stirnrunzelnden Blicke der anderen Hausbewohner geradezu körperlich zu fahlen, die sie durch die Spione in ihren Wohnungstüren hinauswarfen.
    »Herr Mewes?« begann der Polizeibeamte, der unmittelbar vor ihm stand. »Stefan Mewes?«
    Stefan nickte, trat zurück und machte eine einladende Geste. »Ja. Kommen Sie herein.«
    Der Mann, sein Begleiter und einer der beiden Streifenpolizisten folgten der Einladung, während der vierte Beamte zu Stefans großem Unbehagen offensichtlich vorhatte, draußen vor seiner Wohnungstür stehenzubleiben. Während Stefan aus dem Weg trat, um seine ungebetenen Besucher einzulassen, musterte er die beiden Männer in Zivil aufmerksam. Der ältere der beiden war ein Stück größer als er, sehr muskulös und auffallend gut gekleidet. Er hatte graues Haar und einen pedantisch ausrasierten Bart, in dem sich noch letzte dunkelbraune Strähnen zeigten, und Stefan hätte ihm den Polizisten vermutlich nicht angesehen, hätte er nicht gewußt, womit er es zu tun hatte. Sein Blick glitt rasch und in einer einzigen, sehr zielbewußt wirkenden Bewegung durch die Wohnung und schien sie samt ihres Bewohners in einem einzigen Moment zu taxieren.
    Sein Begleiter war deutlich jünger - etwa in Stefans Alter - und wäre allein wohl ein vollkommen durchschnittlicher Typ gewesen; neben dem Grauhaarigen wirkte er jedoch fast lächerlich, denn er schien sich alle nur erdenkliche Mühe zu geben, seinen Kollegen und vermutlichen Vorgesetzten zu kopieren. Er hatte keinen Bart und sein Haarschnitt war anders, aber in Kleidung, Auftreten und Körpersprache ähnelte er dem Alteren; oder versuchte es zumindest.
    Stefan wartete, bis die drei ohne weitere Aufforderung an ihm vorbeigegangen und ins Wohnzimmer getreten waren, dann sah er den zurückgebliebenen Beamten noch eine Sekunde lang an, begriff endgültig, daß er nicht mit hereinkommen, sondern tatsächlich draußen auf dem Flur zurückbleiben würde, und schloß die Wohnungstür. Letztendlich war es egal, was seine Nachbarn von ihm dachten; er hatte im Moment wirklich andere Probleme.
    Der grauhaarige Polizist hatte sich herumgedreht und sah ihm aufmerksam entgegen, als er ins Wohnzimmer kam, während sich sein jüngerer Kollege ungeniert über Stefans Schreibtisch beugte und neugierig das Tohuwabohu von Papieren, Briefen, Zeitungsausschnitten und Notizen musterte, das darauf lag. Stefan bedachte ihn mit einem stirnrunzelnden Blick, sagte aber nichts dazu, sondern wandte sich an den Grauhaarigen:
    »Sie waren ziemlich schnell hier.«
    »Und Sie scheinen uns erwartet zu haben«, erwiderte der andere. »Oder irre ich mich?«
    »Nein«, sagte Stefan.
    Der jüngere Polizist fragte wie aus der Pistole geschossen:
    »Wieso?«
    Stefan machte eine Kopfbewegung auf das Telefon. Es hatte aufgehört zu klingeln, aber die Digitalanzeige des Anrufbeantworters war nicht weitergesprungen. Der Anrufer hatte aufgegeben, bevor sich das Gerät einschalten konnte. »Ich hatte gerade einen sehr seltsamen Anruf«, sagte er.
    »Was für einen Anruf?«
    Stefan deutete mit einer Kopfbewegung auf das Telefon. »Ein Herr... Maaßen hat gerade angerufen. Ich muß gestehen, daß ich nicht alles von dem verstanden habe, was er

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