Wolfsherz
nicht«, sagte Westmann, ohne ihn anzusehen. »Der Angreifer sprach übrigens nur gebrochenes Deutsch. Man bekommt in den ehemaligen Ostblockländern für wenig Geld Leute, die so ziemlich alles tun, nicht wahr?«
»Hören Sie«, sagte Stefan, immer noch an Dorn gewandt, aber jetzt nur mühsam beherrscht. »Ich versichere Ihnen, daß ich mit dieser Geschichte nichts zu tun habe. Es stimmt zwar, daß ich versucht habe, Frau Halberstein dahingehend zu beeinflussen -«
»Die Finger von Ihnen und dem Kind zu lassen?« fiel ihm Westmann ins Wort.
»Aber sie hat doch gar nicht gesagt, daß sie es uns wegnehmen will!« antwortete Stefan. Seine Stimme war viel lauter, als er es beabsichtigt hatte, und sie klang selbst in seinen eigenen Ohren fast verzweifelt; er fühlte sich in die Defensive gedrängt und das auf eine unangenehme Art, die ihn zugleich hilflos und wütend machte. Natürlich war ihm klar, daß Westmann und auch sein älterer Kollege ihn eindeutig manipulierten; der Ball, den sie sich gegenseitig zuspielten, war er. Aber es war verrückt; obwohl er die Taktik der beiden durchschaute und auf einem intellektuellen Niveau ganz genau wußte, wie er sich dagegen hätte wehren können, war er nicht dazu in der Lage.
»Ich habe mit diesem Überfall nichts zu tun«, beteuerte er.
»Es wäre doch auch völlig sinnlos. Frau Halberstein schien mir ganz vernünftig. Sie war weder feindselig noch hat sie in irgendeiner Form angedeutet, daß sie uns Schwierigkeiten machen will. Warum also sollte ich so etwas Dummes tun?«
»Das fragen wir Sie«, sagte Westmann, und Dom fügte hinzu:
»Immerhin kannte der Angreifer nicht nur Ihren Namen, sondern auch den Ihrer Frau, den des Mädchens, und er wußte darüber hinaus auch eine Menge Einzelheiten, die er eigentlich nur von Ihnen erfahren haben konnte.«
»Ich habe keine Ahnung, wer er ist und woher er diese Dinge weiß«, sagte Stefan erneut. Dann fiel ihm etwas ein. »Warten Sie ... vielleicht... weiß ich es doch.«
Doms Gesicht und auch sein Blick blieben ausdruckslos wie zuvor, aber Westmann hob überrascht den Kopf. »So?«
»Ich bin nicht sicher«, begann Stefan. »Aber... als wir uns in der Cafeteria getroffen haben... meine Frau, mein Schwager, Frau Halberstein und ich... da saß jemand hinter mir.«
»Unser unbekannter Freund«, vermutete Westmann spöttisch. »Der, den Sie noch nie zuvor gesehen haben.«
»Ich sagte bereits, ich bin nicht sicher«, erwiderte Stefan in einem Tonfall aggressiver Verteidigung. »Ich habe nicht darauf geachtet. Ich hatte Wichtigeres im Kopf, wissen Sie? Aber jetzt muß ich sagen... es
könnte
dieser Bursche gewesen sein.«
»Was für ein Zufall«, spöttelte Westmann. Dorn schwieg.
»Vielleicht war es gar kein Zufall«, knüpfte Stefan den begonnenen Gedanken fort. »Möglicherweise hat er mich verfolgt. Ich sagte Ihnen ja, er war mir bereits im Wartezimmer aufgefallen. Er hat mich so seltsam angesehen.«
»Oh, natürlich«, sagte Westmann. »Er ist Ihnen nachgegangen und hat Sie belauscht.«
»Und warum nicht?« wollte Stefan wissen. »Woher soll ich wissen, was im Kopf eines solchen Verrückten vorgeht? Vielleicht hat er die ganze Zeit vorgehabt, mich zu überfallen. Was weiß ich? Er könnte unser Gespräch belauscht haben, und danach ist er Frau Halberstein nachgegangen, hat sie niedergeschlagen und behauptet,
ich
hätte ihn geschickt.«
»Das klingt ziemlich abenteuerlich, finden Sie das nicht auch?« sagte Dom.
»Nicht abenteuerlicher als die Behauptung, ich hätte ihn beauftragt«, erwiderte Stefan. Er hatte zumindest das Gefühl, seine Selbstsicherheit allmählich zurückzugewinnen. Doms und Westmanns Auftauchen - und vor allem Maaßens Anruf vorher - hatten ihn in solchen Schrecken versetzt, daß er keinen einzigen klaren Gedanken hatte fassen können. Natürlich wußte er, wie seine Behauptung auf die beiden Polizeibeamten wirken mußte; in weitaus stärkerem Maße, als er einräumen wollte, klang sie sogar in seinen eigenen Ohren abenteuerlich. Trotzdem fuhr er fort: »So muß es gewesen sein. Er hat unser Gespräch belauscht und ist der Frau dann nachgegangen.«
Dorn sah ihn fast fünf Sekunden lang an, ohne ein Wort zu sagen oder in dieser Zeit auch nur zu blinzeln. »Sie bleiben also dabei, daß Sie diesen Mann noch nie zuvor gesehen haben und daß Sie ihn auch nicht beauftragt haben, Frau Halberstein zu überfallen oder sie in irgendeiner Form zu bedrohen?« sagte er dann.
»Selbstverständlich«,
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