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Wolfsherz

Wolfsherz

Titel: Wolfsherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Politikern dabei zuzusehen, wie sie sich bei einem Presseempfang um das kalte Büffet stritten. Aber ein
Risiko
einzugehen oder sein Leben aufs Spiel zu setzen, das waren zwei Paar Schuhe. Aus seinem Zorn war Verwirrung geworden, während er sich durch den zähflüssigen Verkehr nach
    Hause gekämpft hatte, und noch bevor er die Wohnungstür öffnete, verwandelte sich dieses Gefühl in eine Mischung aus Niedergeschlagenheit und Selbstmitleid.
    Vielleicht, überlegte er, wäre das der Moment gewesen, nicht nach Hause, sondern zurück ins Krankenhaus zu fahren, um mit Becci zu reden. Er hatte immer noch Angst davor, aber wenn schon nichts anderes, so hatte ihm das Gespräch mit Robert doch eines vollkommen klar gemacht: Es würde nicht besser werden, wenn er den Moment weiter hinauszögerte. Im Gegenteil, mit jedem Tag, der verging, wurde es schwerer.
    Das Telefon klingelte. Stefan warf seine Jacke achtlos in eine Ecke, ging zum Apparat und stellte ohne sonderliche Überraschung fest, daß während seiner Abwesenheit bereits wieder vierzehn neue Anrufe eingegangen waren. Von mindestens fünf oder sechs davon wußte er, von wem sie stammten und welchen Inhalt sie hatten, auch ohne daß er sie abhören mußte. Er überlegte einige Sekunden lang, unschlüssig, ob er abheben oder einfach warten sollte, daß das Klingeln aufhörte und die Digitalanzeige des Anrufbeantworters auf fünfzehn umsprang. Dann wurde ihm klar, daß diese Überlegung - wenn auch auf einem anderen Level - ganz genau in sein bisheriges Verhaltensmuster paßte. Es gab Dinge, die man einfach durch Abwarten erledigen konnte, aber das traf fast immer auch nur auf Unwichtiges zu. Und es gab Dinge, die mit einem Satz oder einem Handgriff erledigt waren.
Wichtige
Angelegenheiten pflegten sich durch Nichtstun nicht zu erledigen, sondern nur komplizierter oder schwerer zu werden. Vielleicht war es ein passender Moment, damit anzufangen, nicht nur gute Vorsätze zu fassen, sondern es auch zu
tun.
    Er hob ab und meldete sich. »Mewes?«
    »Herr Mewes? Stefan Mewes?« Die Stimme am anderen Ende der Verbindung klang erregt. Sie zitterte leicht und hörte sich an, als ob ihr Besitzer sich große Mühe gab, um nicht loszuschreien. Stefan überlegte, ob er diese Stimme kannte, kam aber zu keiner Antwort.
    »Ja«, sagte er.
    »Maaßen«, stellte sich der andere vor. »Ich nehme an, mein Name sagt Ihnen etwas.«
    Stefan schüttelte instinktiv den Kopf. »Ich fürchte, nein«, sagte er. »Sollte ich Sie kennen?« Er konnte hören, wie Maaßen tief einatmete, und war jetzt sicher, daß er am liebsten laut losgebrüllt hätte. Er konnte die Erregung des anderen regelrecht durch die Telefonleitung hindurch spüren. »Sollte ich Sie kennen?« fuhr er fort. »Bitte verzeihen Sie mir - ich habe einen ziemlich anstrengenden Tag hinter mir und -«
    »Ich bin der Leiter des hiesigen Jugendamtes«, fiel ihm Maaßen ins Wort. »Frau Halbersteins Vorgesetzter, um genau zu sein.«
    Stefan fuhr spürbar zusammen. Robert hatte ihm ja gesagt, daß er einige Telefongespräche geführt und die eine oder andere Sache in die Wege geleitet hatte, aber so, wie Maaßens Stimme klang, schienen seine Bemühungen nicht unbedingt von Erfolg gekrönt gewesen zu sein. »Ich kenne Frau Halberstein«, sagte er, »wenn auch nur flüchtig. Wir haben uns vorhin im Krankenhaus gesehen.«
    »Stellen Sie sich nicht dumm, Herr Mewes«, sagte Maaßen scharf. »Das ist nicht nur kindisch, sondern auch beleidigend. Haben Sie wirklich gedacht, Sie kommen damit durch?«
    Stefan war nun vollends verwirrt. Irgend etwas war passiert, das war klar, und so, wie Maaßens Stimme klang, war es nicht nur ein Anruf gewesen, in dem ihn jemand um einen kleinen Gefallen bat. Was immer Robert getan hatte, mußte gründlich schiefgegangen sein. »Ich fürchte, ich verstehe nicht, wovon Sie reden«, begann er vorsichtig.
    »Dafür versteht es Frau Halberstein um so besser«, antwortete Maaßen. Er klang jetzt eindeutig wütend. »Ich weiß nicht, wer Sie sind, Herr Mewes, oder was zu sein Sie sich einbilden, aber ich schwöre Ihnen, daß Sie mit
diesen
Methoden bei uns nicht durchkommen.«
    »Ich... ich verstehe nicht, was Sie meinen«, beteuerte Stefan. »Ich habe mit Ihrer Dame gesprochen, das ist richtig. Aber nur kurz. Und ich hatte das Gefühl, daß wir uns eigentlich im großen und ganzen einig wären. Es tut mir leid, wenn sie irgend etwas falsch verstanden haben sollte, aber ich bin sicher, daß es sich nur um ein

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