Wolfsherz
antwortete Stefan.
Dom seufzte. »Ich würde Ihnen gerne glauben, Herr Mewes«, sagte er.
Und zum erstenmal glaubte Stefan in seiner Stimme so etwas wie eine menschliche Regung zu hören, wenn auch vielleicht nicht die, die er gern gehört hätte. Er klang enttäuscht, fast ein bißchen resigniert. »Aber sehen Sie, ich habe es in meinem Beruf so oft mit Leuten zu tun, die mich anlügen, daß ich vielleicht schon gar nicht mehr in der Lage bin, zu erkennen, wenn jemand die Wahrheit sagt.«
»Aber ich sage die Wahrheit«, verteidigte sich Stefan.
»Und wenn nicht jetzt, dann sollten Sie sich vielleicht überlegen, ob Sie es noch tun«, fuhr Dom unbeeindruckt fort. »Vielleicht ist Ihnen die ganze Geschichte ja aus der Hand geglitten.«
»Was soll das heißen?« erkundigte sich Stefan.
Dom zuckte wieder mit den Schultern. »Kann es nicht so gewesen sein, daß Sie diesem Burschen einfach nur gesagt haben, er soll Frau Halberstein ein wenig erschrecken?« sinnierte er. »Vielleicht hat er seine Sache ja einfach nur ein bißchen zu gut gemacht.«
»Wie bitte?« keuchte Stefan. »Sind Sie verrückt geworden?«
»Wenn es so war, dann hätte ich vielleicht sogar Verständnis dafür«, fuhr Dom fort. »Sie wären, weiß Gott, nicht der erste, der sich mit Kriminellen einläßt und gar nicht begreift, was er da tut, Herr Mewes. Sollte es also so gewesen sein, dann wäre es besser, Sie würden mir jetzt die Wahrheit sagen.«
»Aber ich
sage
die Wahrheit«, wiederholte Stefan. »Ich habe mit dieser ganzen Geschichte nichts zu tun.«
»Wenn das so ist, warum regen Sie sich dann so auf?« wollte Westmann wissen.
Stefan fuhr ihn an: »Weil ich es ungeheuerlich finde, was hier geschieht. Sie kommen hierher, konfrontieren mich mit diesen absurden Vorwürfen und erwarten allen Ernstes, daß ich ruhig bleibe?«
»Wir erwarten nur, die Wahrheit zu erfahren«, antwortete Dom. »Und das werden wir, verlassen Sie sich darauf.«
»Ist das Ihre Version von ›Wir kriegen dich schon, Freundchen‹ ?« giftete Stefan.
»Wenn Sie es waren, ja«, sagte Dom. »Wenn Sie wirklich nichts damit zu tun haben, dann haben Sie auch nichts zu befürchten.« Er hob abwehrend die Hand, als Stefan schon wieder auffahren wollte. »Ich kann Ihre Erregung durchaus verstehen. Aber ich versichere Ihnen, daß wir die Wahrheit herausfinden werden, und das wahrscheinlich sogar ziemlich schnell. Wir sind keine Zauberer, aber wir haben Erfahrung in solchen Dingen.«
»Es dauert wahrscheinlich keine vierundzwanzig Stunden, und wir haben den Burschen«, fügte Westmann hinzu. »Und danach ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis er auspackt. Sie wären erstaunt, wie schnell diese Kerle ihre Loyalität vergessen, wenn es ihnen an den Kragen geht.«
»Dann kann ich Ihnen nur viel Erfolg wünschen, meine Herren«, sagte Stefan. »Sie werden herausfinden, daß ich nichts mit alledem zu tun habe. Ich wäre ja verrückt.«
»Oder naiv«, sagte Dom. »Solche Dinge funktionieren im wirklichen Leben fast nie, wissen Sie. Ich habe das schon so oft erlebt. Haben Sie Angst vor Gewalt, Herr Mewes?«
Stefan blinzelte. Was sollte das? »Ja«, gestand er. »Wer hat die nicht? Warum stellen Sie diese Frage?«
»Sie sagen es - jeder hat sie«, antwortete Dorn. »Um so erstaunlicher ist es, wie viele ganz normale Menschen wie Sie und ich auf den Gedanken kommen, Gewalt auszuüben, um mit Problemen fertigzuwerden. Aber wissen Sie, in den allermeisten Fällen schafft sie mehr Probleme, als sie beseitigt. Man kann sich mit solchen Typen nicht einlassen, ohne sich die Finger schmutzig zu machen. Meistens geht der Schuß nach hinten los. Wenn dieser Kerl wirklich nur ein Verrückter ist, der sich das alles ausgedacht hat, um Ihnen und uns das Leben schwerzumachen, dann finden wir das heraus. Aber wenn es nicht so ist, dann sollten Sie sich eines vor Augen führen: Man wird diese Burschen oft nicht wieder los. Möglicherweise stehen Sie in vier Wochen vor meinem Schreibtisch und bitten mich, Sie vor ihm zu schützen.«
»Ich werde in
zwei Tagen
vor Ihrem Schreibtisch stehen, damit Sie sich bei mir entschuldigen«, antwortete Stefan. »Ich sage es noch einmal: Ich habe nichts damit zu tun. Ich habe nicht die geringste Ahnung, wer dieser Mann ist und warum er das getan hat.«
»Hört, hört«, sagte Westmann spöttisch.
»Belassen wir es für den Moment dabei«, sagte Dom. Er warf seinem jüngeren Kollegen einen auffordernden Blick zu, griff in die rechte Jackentasche und
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