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Wolfsherz

Wolfsherz

Titel: Wolfsherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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zog eine Visitenkarte hervor, die er Stefan in die Hand drückte.
    »Was soll das heißen?« fragte Stefan überrascht. »Bin ich jetzt verhaftet oder was?«
    Dorn lächelte. »Aber nein. Sehen Sie, wir haben da nur ein kleines Problem. Es wurde offiziell Anzeige gegen Sie erstattet, und wir haben eine Zeugenaussage, die Sie belastet. Selbst wenn ich Ihnen glaube - ich bin gezwungen, der Sache weiter nachzugehen.«
    »Das ist mir klar«, sagte Stefan. »Wollen Sie mir auf diese Weise möglichst diplomatisch beibringen, daß ich mir besser einen Anwalt besorge?«
    »Das bleibt Ihnen überlassen«, erwiderte Dom. »Ich muß Sie jedenfalls bitten, morgen früh um neun in meinem Büro zu erscheinen.«
    »Ob mit oder ohne Anwalt«, fügte Westmann hinzu.
    »Soll ich eine Zahnbürste mitbringen?« fragte Stefan böse.
    »Kaum«, erwiderte Dom. »Wie gesagt, bisher ist es nur eine Routineuntersuchung. Sollten Sie eine Zahnbürste und Wasch' zeug brauchen, dann kommen wir vorbei und helfen Ihnen beim Tragen. Auf Wiedersehen, Herr Mewes.«
    Die drei Polizisten gingen. Stefan begleitete sie zur Tür. Der vierte Beamte stand immer noch draußen auf dem Flur, und gerade als Stefan hinter Dorn und den beiden anderen auf den Korridor hinaustrat, fiel am anderen Ende eine Tür ins Schloß. Soviel also, dachte er zerknirscht, zu seiner Hoffnung, daß keiner der anderen Hausbewohner etwas von seinen ungebetenen Gästen bemerkt hatte.
    Er wartete, bis die vier Beamten im Aufzug verschwunden waren, dann trat er in die Wohnung zurück, schloß sorgsam die Tür hinter sich ab und eilte zum Telefon. Mit bebenden Fingern wählte er erneut die Nummer von Roberts Handy, hatte aber auch diesmal keinen Erfolg. Er begann Roberts Büro-Nummer zu wählen, überlegte es sich dann aber anders und suchte die Nummer des Sheraton-Hotels in Zürich heraus, von dem er wußte, daß Robert dort immer abstieg. Er mußte fünf- oder sechsmal wählen, bevor er eine Verbindung bekam, und wie er befürchtet hatte, war sein Schwager noch nicht eingetroffen. Er hinterließ eine Nachricht, in der er ihn dringend um einen Rückruf bat, hängte ein und begann die Nummer der Redaktion zu wählen, führte aber auch diese Aktion nicht zu Ende, sondern drückte kurz die Gabel herunter, und begann, Rebeccas Nummer im Krankenhaus zu wählen. Bevor er die letzte Ziffer drückte, zögerte er, zog die Hand dann zurück und legte den Hörer endgültig auf die Gabel.
    Es ergab alles keinen Sinn. Ein Gefühl ohnmächtiger Wut hatte ihn ergriffen, aber auch noch etwas anderes, das ihn fast selbst erschreckte: Er begann sich zu fragen, ob Dom vielleicht recht hatte. Natürlich war die Vorstellung absurd. Er wußte gar nicht, warum er diesen Gedanken dachte oder wie er auf diese groteske Idee gekommen war, aber sie war einmal da, und er wurde sie nicht mehr los. Die Erklärung, die er den beiden Polizisten gegeben hatte, klang einleuchtend, und sie schien Stefan sogar von Sekunde zu Sekunde überzeugender zu klingen, aber möglicherweise tat sie das ja nur, weil er es wollte. Was, wenn es wirklich anders war? Natürlich wußte er mit vollkommener Sicherheit, daß er diesen blonden Burschen nicht beauftragt hatte, die junge Frau vom Jugendamt zusammenzuschlagen. Das war aber auch schon alles, was er mit Sicherheit wußte. Andererseits gab es aber nur zwei andere mögliche Auftraggeber - und der eine war so ausgeschlossen wie der andere. Wäre die Situation schlimmer gewesen -
viel schlimmer -
und hätte der Streit zwischen Rebecca und Halberstein Zeit und vor allem Anlaß gehabt, zu eskalieren, dann traute er Becci in ihrem Zorn durchaus zu, auf eine solche Idee zu kommen; mehr aber auch nicht. Zwischen dem Gedanken an eine solche Aktion und der Ausführung lagen Welten. Und er wußte, daß seine Frau diese Grenze niemals überschreiten würde.
    Und was Robert anging... er hätte sicherlich sowohl die nötigen Verbindungen als auch wenig genug Skrupel, zu solchen Mitteln zu greifen, aber es war einfach nicht seine Art. Für so etwas war er zu klug. Es war, wie Dorn gesagt hatte: Man konnte nicht mit solchen Leuten umgehen, ohne sich die Hände schmutzig zu machen, und sein Schwager machte sich niemals die Hände schmutzig, wenn es andere, und noch dazu bessere, Mittel und Wege gab, sein Ziel zu erreichen.
    Er war so schlau wie vorher. Abgesehen von ihm, Rebecca und seinem Schwager gab es einfach niemanden, der einen Grund haben könnte, diesen Schläger auf Halberstein anzusetzen.

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