Wolfsherzen - Eine Liebe in Alaska
lässt Lucy zusammenschaudern.
Lucius steht vor ihr und sieht sie an. Sie schmiegt sich vorsichtig an ihn, bemerkt, wie er ihr die Stirn küsst und seine Hand weiter nach oben zwischen ihre Brüste wandern lässt. Dort ruht sie dann und nimmt von ihrer Wärme. Als sie findet, dass sie nun warm genug ist, löst sie sich von ihm.
Lucius zieht sich aus ihren Jacken zurück.
Sie verschließt diese eilig wieder, streift ihm seinen rechten Handschuh über und versteckt ihre bloße Hand in ihrem Jackenärmel. „Dann bin ICH dran. Deine wärmste Stelle ist aber woanders“, bedeutet sie ihm verschmitzt. Und als ihn seine Vorstellung das Gesicht verziehen lässt, lacht sie auf.
Lucius nimmt das Spuren wieder auf. Der Schnee und die Kälte rauben ihnen die Kräfte. Und die Nacht bricht allmählich über sie herein. Lucy kommt es wie eine Ewigkeit vor, dass sie sich so vorwärts kämpfen. Sie friert trotz der Anstrengung fast unmenschlich und nimmt ihre Umgebung kaum noch wahr. Monoton hebt sie angestrengt die Beine und setzt ihre Füße in Lucius’ Fußstapfen. Sie tritt oft auf das Seil und stolpert. Plötzlich ist sie zutiefst beunruhigt und wird wachsam. Sie hört einen Wasserfall. Und sie gehen auch nicht mehr nach Norden, wo der Wind herkommt. Sie haben den kleineren Berg Richtung Norden umrundet und sind zu weit nach Westen abgekommen, in Richtung des Flusslaufes mit dem Wasserfall. Lucy nimmt noch einmal ihre ganze Kraft zusammen und beschleunigt ihre Schritte. Sie kommt neben Lucius. Er setzt seine Schritte matt und gleichtönig und scheint völlig am Ende zu sein. Als sie ihn an der Schulter berührt, fährt er zusammen und blickt sie überrascht an, während er stehen bleibt. Überall auf seinem Gesicht, auf seinen langen Wimpern, klebt ihm der Schnee. „Wir gehen in die falsche Richtung“, bedeutet sie ihm. „Wir müssen ein Stück zurückgehen und dann nach Norden. Wenn wir hier weitergehen, stoßen wir bald auf den Flusslauf.“
Er blickt sich wachsam um und nickt dann kaum merklich.
„Ich gehe eine Weile voran. In unserer Spur.“ Sie wartet nicht auf seinen sicher anstehenden Einwand, sondern wendet sich einfach um und geht in ihrer alten Spur zurück. Und Lucius folgt ihr. Einfach so.
Es ist Nacht geworden. Doch es ist nicht stockfinster, da die Landschaft weiß verschneit und hell ist. Und der Wald ist weniger dicht geworden. Lucy kann die Umrisse der dunklen Baumstämme gut vom Schnee unterscheiden. Sie geht streng in Windrichtung, schaltet dann und wann ihre flackernde Stirnlampe ein, um auf ihren Kompass zu sehen. Doch die Richtung stimmt. Sie weiß nicht, wie viel Kraft sie noch hat. Längst wähnte sie sich am Ende. Doch offenbar ist sie doch noch nicht an ihre Grenzen gelangt. Sie bewegt sich eintönig und sparsam, während sie spurt. Und sie spurt schon seit Stunden. Zumindest kommt es ihr so vor. Sie hat jegliches Gefühl für Zeit verloren.
„Lucy.“
Lucius ist neben sie gekommen. Er nimmt ihr Stirnlampe und Kompass ab. Sie lässt es geschehen. Dann dringt ein Kuss von ihm zu ihr vor. Er holt sie plötzlich wieder zurück, belebt sie. Macht, dass ihr ganz warm ums Herz wird.
„Es kann nicht mehr weit sein, Baby.“ Er lächelt sie müde an und wendet sich dann zum Weitergehen.
Als sich das Seil straffen will, folgt sie ihm hinterher. Tritt in seine Fußstapfen, hebt angestrengt die Beine. Es ist viel weniger anstrengend, als vorauszugehen. Und doch bedeutet es Kampf. Überwindung zu jedem neuen Schritt. Ihre Beinmuskeln sind müde und verkrampft. Jeder Muskel wehrt sich gegen eine erneute Bewegung. Sie ist müde wie nie zuvor und will nur noch umfallen und schlafen. Und immer wieder tritt sie auf das Seil, so dass Lucius an ihm zurückruckt oder sie beinahe darüber fällt.
Plötzlich bewegt sich das Seil nicht mehr und liegt schlaff vor ihr im Schnee. Sie blickt nach vorn zu Lucius. Er ist stehen geblieben und sie kommt schwankend an seine Seite. Dann erst bemerkt sie die große Blockhütte direkt vor ihnen. Ihr Herz macht einen freudigen Sprung. Sie haben es geschafft!
Lucius lässt sich völlig erschöpft auf die Knie sinken und wendet den Blick nicht von der Hütte ab. „Vor einer Ewigkeit hab‘ ich geschworen, nie wieder herzukommen“, murmelt er. Dann breitet er die Arme aus und lacht gequält auf. „Da hast du mich wieder!“
Lucy beobachtet ihn. „Lucius, du machst mir Angst“, flüstert sie beinahe. Doch er hat sie verstanden und blickt überrascht zu ihr auf.
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