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Wolfskinder - Lindqvist, J: Wolfskinder - Lilla stjärna: Wolfskinder

Wolfskinder - Lindqvist, J: Wolfskinder - Lilla stjärna: Wolfskinder

Titel: Wolfskinder - Lindqvist, J: Wolfskinder - Lilla stjärna: Wolfskinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Ajvide Lindqvist
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Aber mach so was nie wieder.«
    Das Mädchen schüttelte ihren hängenden Kopf, und Theres folgte ihr nach draußen. Jerry ließ sie gehen, weil sie das Messer mittlerweile nicht mehr in der Hand hielt. Er schaute hinüber und sah es auf der Eistruhe liegen.
    Der Filialleiter redete munter weiter, wie notwendig es sei, dass man sich direkt um solche Sachen kümmere und die Jugendlichen nicht einfach machen lasse, denn sonst bekäme man später die Rechnung. Jerry brummte zustimmend und nickte, während er hinter seinem Rücken nach dem Messer griff. Als der Filialleiter sich abwandte, versteckte er es zwischen den Chipstüten. Dann ging er hinaus.
    Theres und das Mädchen saßen eng nebeneinander auf der Mauer vor dem Laden. Das Mädchen hatte sich zu einem weinenden Bündel zusammengekauert, und die Szene kam ihm bekannt vor. Dieses Mal wollte Jerry herausfinden, was da passierte. Die Mädchen hatte ihre Köpfe dicht zusammengesteckt und schenkten ihm keine Beachtung, sodass er um sie herumschlich, bis er hinter der Mauer auf dem Bürgersteig stand.
    Schon bei seinen letzten Schritten hatte er Theres’ Stimme wie ein rhythmisches Murmeln vernommen, steigend und fallend, als würde sie ein Wiegenlied singen. Als er näher kam, konnte er verstehen, was sie sagte.
    »Du sollst keine Angst haben.«
    »Nee.«
    »Du sollst nicht traurig sein.«
    »Nee.«
    »Du bist klein. Sie sind groß. Sie tun Böses. Sie werden tot sein. Sie sind böse, weil sie tot werden. Du bist klein. Du wirst nicht tot werden.«
    »Was, wie meinst du das?«
    »Du wirst immer leben. Dir tut nichts weh. Du tust nicht weh. Du hast schönen Gesang im Kopf. Sie haben hässliche Worte. Du bist weich. Sie sind hart. Sie wollen dein Leben haben. Gib ihnen nicht dein Leben. Gib keine Tränen. Fürchte dich nicht.«
    Ihre Stimme hatte einen hypnotischen Klang, der Jerry dazu brachte, auf der Stelle hin und her zu schwanken. Selbst er wurde von der Botschaft berührt. Fürchte dich nicht, fürchte dich nicht. Die Angst, die er eben noch im Supermarkt verspürt hatte, wurde fortgespült wie eine Zeichnung im Sand. Er hatte Theres noch nie mit dieser Stimme sprechen hören. Sie war liebkosend, einladend, heilend. Es war die Stimme der tröstenden Mutter, die Stimme des Arztes, der sagt, dass alles wieder gut wird, und es war die Stimme desjenigen, der dich im Dunkeln an die Hand nimmt und hinausführt.
    Obwohl die Stimme nicht direkt zu Jerry sprach, schaukelte er in ihrem Rhythmus und glaubte an die einfache Wahrheit, die sie offenbarte: Es gab nichts, vor dem man Angst haben musste.
    In seinem Schwanken verlor er kurz das Gleichgewicht und bewegte den Fuß zur Seite, um sich wieder aufzurichten. Theres hörte es und drehte sich zu ihm um. Eine Sekunde lang schaute sie ihm in die Augen und betrachtete ihn wie einen Fremden. Dann wich ihr Blick aus, und sie stand auf. Das andere Mädchen erhob sich ebenfalls. Ihr Kopf war jetzt erhoben, erleichtert. Jerry schüttelte sich, als müsste er aus einem Traum erwachen, den er eigentlich nicht verlassen wollte.
    Auf dem Heimweg sagte Theres mit ihrer gewohnten Stimme: »Du darfst nicht lügen. Du sollst nicht lügen.«
    »Wieso?«, fragte Jerry. »Ich habe doch nicht gelogen. Es kam doch so, wie ich gesagt hatte.«
    Theres schüttelte den Kopf. »Du hast gesagt, dass das kleine Mädchen nicht verletzt wird. Es gab Verletzung. Der Große verletzte. Du hast nicht richtig gesagt.«
    Nee , dachte Jerry, und das war auch verdammt gut so .
    Im Spätsommer kam es manchmal immer noch vor, dass sie mit der Gitarre jamten und Entwürfe für Lieder schrieben, aber etwas war anders zwischen ihnen geworden. Nach dem Zwischenfall im Supermarkt hatte Jerry das Gefühl, dass er endgültig in die Gruppe der »Großen« einsortiert worden war und man sich somit nicht mehr auf ihn verlassen konnte. Dass es nichts als Statistik war, dass Theres seine Anwesenheit akzeptierte: Er hatte bislang nicht versucht, sie umzubringen, und würde es in Zukunft vermutlich also auch nicht versuchen.
    Er bedankte sich bei seinem Glücksstern, dass sie sich nicht daran erinnerte, wie ihre Bekanntschaft begonnen hatte. Damals war er wirklich darauf aus gewesen, ihr Schaden zuzufügen. Vielleicht war auf irgendeine Weise doch noch eine Erinnerung daran bei ihr erhalten und nährte einen Verdacht, dass er böse Absichten verfolgte. Aber er war damals ein anderer gewesen. Aber war er das wirklich? Wird man irgendwann ein anderer, von Grund

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