Wolfskinder - Lindqvist, J: Wolfskinder - Lilla stjärna: Wolfskinder
Theres’ Körper sich anspannte, als ein Choreograf sie vorsichtig an den Schultern fasste, um sie in die richtige Position zu bringen. Jerry war kurzdavor, von seinem Platz aufzuspringen und sich anzubieten, die Anweisungen des Choreografen weiterzuvermitteln, aber der junge Mann – der nach Jerrys Meinung wahrscheinlich homosexuell war – war in seinen Bewegungen so weich und anschmiegsam, dass Theres ihn offensichtlich nie als wirkliche Bedrohung auffasste.
Jerry hörte nicht, was gesagt wurde, aber er sah, dass Theres den Anweisungen lauschte, auf die Kameras und in die Kameras schaute. Als sie den Song anschließend noch einmal vortrug, zeigten ihre Bewegungen und die ihrer Augen, dass sie zumindest einen Teil der Choreografie übernommen hatte.
Es folgte die Mittagspause, und als Theres stillschweigend akzeptierte, dass sie nicht inmitten all der anderen Kandidaten sitzen und Kindernahrung essen konnte, begann sich Jerry ein wenig zu entspannen. Sie passte sich trotz allem der Situation an, und das Ganze würde vielleicht wirklich glatt über die Bühne gehen.
Nach der Mittagspause tauchte eine Frau auf, die Theres’ Kleidung skeptisch musterte, verschwand und kurze Zeit später mit einem silbrig schimmernden Kleid wiederkehrte. Sie drückte es Theres in die Hände und wies sie an, in eine der Umkleidekabinen zu gehen und es sich anzuziehen. Auch das verlief ohne Probleme. Die Frau hatte sich von dem Titel des Songs inspirieren lassen und etwas herausgesucht, das wie eine Mischung aus Abendkleid und Raumanzug aussah. Es stand Theres nicht besonders gut, was sie nicht im Geringsten scherte.
Eine Stunde vor Aufnahmebeginn wurde sie aufgefordert, in die Maske zu gehen. Nachdem sie ein paar Treppen hinauf- und durch diverse Korridore geführt worden waren, gelangten sie in einen großen Raum, in dem acht Friseurstühle standen. Eine junge Frau mit einer außergewöhnlich hochgebundenen blonden Frisur saß auf einem Stuhl und las in einer Illustrierten, während eine große Afrikanerin in Jerrys Alter zwischen den Stühlen herumging und den Boden fegte.
Die blonde Frau stand auf, als sie hereinkamen, hieß Theres willkommen, ohne sie dabei anzuschauen, und streckte ihr die Hand entgegen. Als Theres sie nicht nahm, griff Jerry danach. Die Hand war schmal und kalt und rund, und am Handgelenk hingen jede Menge Armbänder. Sie zeigte einen großzügigen Ausschnitt, der ein Paar unnatürlich kugelförmige Brüste hervorhob. Jerry nahm an, dass er sie attraktiv finden sollte, aber er tat es nicht.
Theres setzte sich auf den Stuhl, und als Jerry sich neben ihr aufstellte, zeigte die Frau auf einen normalen Stuhl am anderen Ende des Raums und sagte: »Wäre echt klasse, wenn du dich da hinten hinsetzen könntest.« Als Jerry zögerte, sagte sie: »Draußen auf dem Flur wäre vielleicht sogar noch besser.«
Jerry trollte sich zu dem angewiesenen Stuhl hinüber und setzte sich ganz vorn auf die Kante. Er hatte böse Ahnungen und wollte sich bereithalten. Die Frau warf einen schwarzen Friseurumhang über Theres, die auf ihr eigenes Spiegelbild starrte. Stille. Das Einzige, was man hören konnte, war das flüsternde Geräusch des Besens, der über den Fußboden gezogen wurde.
Jerry schielte zu dem Geräusch hinüber. Die Frau am Ende des Besens hatte ein breites, dunkelbraunes Gesicht und kohlrabenschwarzes, krauses Haar, das hinten zu einem Knoten zusammengebunden war. Sie wog bestimmt neunzig Kilo, und alles an ihr war groß und rund und weich, und man hätte fast glauben können, dass sie einzig und allein als greller Kontrast zu der blonden Strenge der Kosmetikerin in diesem Zimmer platziert worden war.
Die Putzfrau schien seinen Blick zu bemerken, wandte ihm ihr Gesicht zu und feuerte ein Lächeln ab, das nicht zu erwidern unmöglich war. Jerry kam sich wie ein Idiot vor, als seine Mundwinkel ohne sein Zutun nach oben schossen, und er musste den Blick senken. Dann erblickte er sich in einem Spiegel, und das Lächeln erstarb.
Damit kann man wirklich keinen Staat machen.
Er sah aus wie ein Relikt aus den Fünfzigern. Zur Feier des Tages hatte er sein Haar in einer Art Rockabilly-Manier nach hinten und nach oben gekämmt, und mit seinen kräftigen Koteletten, die abzurasieren er nie über das Herz gebracht hatte, sah er aus wie ein reichlich betagter Elvis. Sein fettes Gesicht, die dunklen Ringe unter den Augen, die Nase, die mit den Jahren immer größer zu werden schien. Dass jemand diesem Gesicht ein
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