Wolfskinder - Lindqvist, J: Wolfskinder - Lilla stjärna: Wolfskinder
Inhalt des zerbrochenen Glases lief über den Nachttisch. »Komm«, sagte Teresa. »Wir gehen.«
Theres rührte sich nicht. Im Badezimmer liefen die Wasserhähne. Teresa bekam einen seltsamen Geschmack im Mund. Der besondere Geschmack, der entsteht, wenn etwas vollkommen Unvorhersehbares auf einen zukommt, eine Mischung aus Galle und Honig. Sie wollte nicht mehr hier sein. »Komm jetzt«, flehte sie. »Wir können hier nicht bleiben.«
»Doch«, sagte Theres. »Ich werde eine Scheibe machen.«
»Nicht mit ihm.«
»Doch. Er möchte eine Scheibe mit mir machen.«
»Vorhin vielleicht. Jetzt nicht mehr.«
»Doch.«
Theres setzte sich auf die Bettkante und forderte Teresa auf, sich neben sie zu setzen. Teresa blieb ein paar Sekunden lang unentschlossen stehen, aber im Grunde hatte sie keine Alternative. Sie hob die Champagnerflasche auf, schüttete den Inhalt in den Kühler, probierte sie wie einen Baseballschläger zu halten und ließ sich dann neben Theres nieder. Sie reichte ihr die Flasche. »Hier.«
Theres nahm sie nicht an. »Wofür?«
»Falls er dich wieder … essen möchte.«
»Das wird er nicht.«
»Aber wenn?«
»Dann kannst du ihn tot machen.«
Sie saßen nebeneinander. Das Jammern aus dem Badezimmer verlor allmählich an Intensität. Wahrscheinlich hatte Theresrecht. Dieser Max Hansen war ein unangenehmer Typ, aber vermutlich nicht besonders gefährlich. Feige.
Teresa wog die Flasche in der Hand. Sie war dick und schwer. Die Form ihres Halses und die Ausbuchtung unterhalb ihrer Öffnung machten sie zu einer guten Schlagwaffe. Sie versuchte sich vorzustellen, wie sie sie auf Max Hansens frisiertem Schädel zertrümmern würde, horchte aufmerksam in sich hinein. Nein. Es war nicht unvorstellbar. Irgendetwas in ihr sehnte sich sogar danach, es zu tun.
Sie waren zwei wehrlose Mädchen. Es gab einen Film, der bewies, dass Max Hansen ihnen Gewalt antun wollte. Sie würden in sämtlichen Punkten entlastet werden. Glaubte sie. Aber wenn Theres neben ihr auf dem Bett saß, fühlte sie sich alles andere als wehrlos. Ganz im Gegenteil. Sie ließ die Flasche ein paar Mal in ihre andere Hand klatschen, schaute zu Theres hinüber, die mit den Händen auf den Knien ruhig und aufrecht dasaß. Überhaupt nicht wehrlos.
Wir sind unverwundbar , dachte Teresa. Wir sind die Wölfe .
Als Max Hansen fünf Minuten später aus dem Badezimmer kam, war er buchstäblich blass wie eine Leiche. Jegliche Farbe war aus seinem Gesicht gewichen, und er hatte ein paar Badelaken als vorläufigen Verband vor der Brust und dem Bauch verknotet. Er zuckte zusammen, als er Theres und Teresa auf dem Bett sitzen sah.
»Was zum Teufel … was zum Teufel macht ihr hier?«, sagte er mit schwacher Stimme und schielte auf die Flasche in Teresas Hand. Er wühlte in seiner Jacke herum und förderte die Brieftasche zutage, warf sie Theres vor die Füße. »Hier. Nimm das. Mehr habe ich nicht.«
Theres gab die Brieftasche an Teresa weiter, die nicht wusste, was sie damit anfangen sollte. Sie öffnete sie und überlegte, sich das Geld zu nehmen, beschloss aber, dass sie es besser lassen sollte, und warf sie zu Max Hansen zurück.
»Ich will eine Scheibe machen«, sagte Theres.
Max Hansen schluckte. »Was?«
»Ich will eine Scheibe machen«, wiederholte Theres. »Ich werde singen. Du wirst mir helfen.«
Für einen Augenblick sah es so aus, als wollte Max Hansen weinen. Er schwankte hin und her. Dann öffnete er den Mund, um etwas zu sagen, aber es war nichts zu hören. Er wollte einen Schritt auf Theres zu machen, aber etwas an ihrer Haltung ließ ihn davon absehen.
»Willst … willst du das?«
»Ja«, sagte Theres.
»Wir können also … einen Strich unter diese Geschichte ziehen, und dann einfach …?«
Weil Theres nicht antwortete, möglicherweise, weil ihr die Wendung nicht bekannt war, antwortete Teresa an ihrer Stelle. »Hier werden keine Striche unter irgendetwas gezogen. Aber du hast gehört, was sie gesagt hat, oder?« Sie klopfte auf ihre Tasche und nickte zur Kamera hinüber. »Ich habe übrigens den Film.«
»Okay«, sagte Max Hansen. »Okay, okay.«
Im Spiegel konnte Teresa erkennen, dass es durch die Handtücher hindurchblutete. Wahrscheinlich sollte Max Hansen ein Krankenhaus aufsuchen, um überhaupt wieder in die Lage zu kommen, jemandem bei irgendetwas helfen zu können.
Als Teresa aufstand, spürte sie, dass ihre Beine nicht ganz so stabil waren, wie ihre markigen Worte vermuten ließen. Trotzdem bekam sie Theres
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