Wolfskinder - Lindqvist, J: Wolfskinder - Lilla stjärna: Wolfskinder
Hand, und der zerknüllte Schein fiel zu Boden. Teresa betrachtete ihn, wie er im feuchten Staub lag, und eine wahnsinnige Wut kochte in ihr hoch, als ihr der Mechanismus bewusst wurde.
Sie nehmen. Sie essen.
In einer Mail hatte Max Hansen angedeutet, dass er es begrüßen würde, wenn der Film, den Teresa aus seiner Kamera genommen hatte, zerstört würde. Teresa hatte geantwortet, dass sie ihn weggeworfen habe. Aber sie besaß ihn immer noch und erinnerte sich gut an den Inhalt. Wie er Theres ausnutzen wollte, ihr etwas wegnehmen wollte, sie essen wollte, sie schlucken und das alles auch noch dokumentieren wollte, damit er alles wiedererleben konnte.
Eigentlich war im Studio dasselbe passiert, nur auf eine allgemein akzeptierte Weise. Theres besaß etwas, das sie haben wollten. Sie wollten es aus ihr heraussaugen, es verpacken und das Resultat anschließend an den Meistbietenden verkaufen, und das Einzige, was Theres bekam, war dieses Stück Papier, das jetzt hingeworfen im Matsch lag.
Sie nehmen. Sie essen.
Teresa hatte es nicht gesehen. Sie war von der Selbstverständlichkeit im Handeln der Studioleute und der Leichtigkeit irregeführt worden, mit der Theres anscheinend jedes beliebige Lied singen konnte. Sie hatte es nicht verstanden. Dass es einen Preis hatte. Aus Theres’ Verhalten an öffentlichen Orten hatte sie gelernt, dass sie Schwierigkeiten damit hatte, von erwachsenen Menschen umgeben zu sein. Jetzt hatte sie einen ganzen Tag so verbringen müssen. In engen, stillen Räumen.
Als Teresa erneut versuchte, Theres zu umarmen, machte sie eine kraftlose Bewegung, um sich zu befreien. Teresa ließ sie los und begegnete stattdessen ihrem Blick. Theres’ Augen waren blass, ein durchsichtiges Blau, und ähnelten denen der Zombies in Dawn of the dead . Als hätte jemand Nadeln in sie hineingesteckt und die Farbe herausgesaugt.
Sie nehmen. Sie essen.
Teresa beugte sich hinunter und hob den Fünfhunderter von der Straße auf. Sie ignorierte Theres’ lahme Proteste und führte sie zum Medborgarplatsen.
»Komm«, sagte sie. »Wir fahren Taxi.«
Teresa hatte noch nie zuvor ein Taxi angehalten, aber der Chauffeur schien es als ganz normal zu empfinden, dass sie hinter ihm herwinkte, und er hielt an, um sie in den Fond steigen zu lassen. Teresa nannte die Adresse und zeigte ihm sicherheitshalber den zerknitterten Fünfhunderter.
Theres drückte sich so weit wie möglich in die Ecke, schlang die Arme um sich und schloss die Augen. Sie sah so klein und erbärmlich aus, dass Teresa von einem ganz neuen Gefühl ergriffen wurde: Zärtlichkeit. Sie wollte, dass ihr Theres den Kopf in den Schoß legen sollte, dass sie ihr über das Haar streicheln und flüstern konnte: Alles ist gut, keine Gefahr, ich bin hier.
Stattdessen hatte sie die Hände zwischen die Schenkel gepresst und betrachtete Theres, die eingeschlafen zu sein schien. Ein großes, stilles Glück keimte in ihr auf. Wuchs. Und wuchs. Als sie am Globen vorbeifuhren, fühlte sie sich, als könnte sie vor Freude platzen. Sie hatte den Globen noch nie gesehen. Sie hatte noch nie ein Taxi genommen. Sie hatte noch nie neben einer schlafenden Geliebten gesessen. Sie hatte im Schatten gelebt.
Da sie keine andere Möglichkeit sah, Kontakt zu Theres herzustellen, nahm sie ihren MP3-Player und spielte »Flieg« in höchster Lautstärke, in ihrer eigenen Version. Sie war nicht besser als diejenige, die im Studio produziert worden war. Sie war unendlich viel besser.
Theres hatte sich ein wenig berappelt, als sie in Svedmyra angekommen waren, und konnte ohne Hilfe die Treppe hinaufgehen. Vor der Wohnungstür blieb sie stehen, drehte sich zu Teresa um und sagte mit schwacher Stimme: »Ich werde keine Scheibe machen.« Dann öffnete sie die Tür.
Jerry war zu Hause. Als er fragte, was sie gemacht hatten, schüttelte Theres nur den Kopf und verschwand in ihrem Zimmer, wo sie sich auf das Bett fallen ließ und direkt wieder einschlief.
Als Teresa zur Wohnungstür ging, stellte Jerry sich ihr in den Weg. Er verschränkte die Arme vor der Brust und sagte mit bedrohlicher Ruhe: »Ich will wissen, was ihr da treibt.«
»Nichts.«
»Teresa. Wenn du noch öfter hierherkommen willst, dann muss ich wissen, was ihr macht. Egal was es ist. Aber lüg mich nicht an.«
»Mein Zug geht gleich.«
»Ich habe gesehen, dass ihr mit dem Taxi gekommen seid. Dann kannst du auch ein Taxi zurück nehmen. Sonst bist du hier nicht mehr willkommen.«
»Das hast du nicht zu
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