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Wolfskinder - Lindqvist, J: Wolfskinder - Lilla stjärna: Wolfskinder

Wolfskinder - Lindqvist, J: Wolfskinder - Lilla stjärna: Wolfskinder

Titel: Wolfskinder - Lindqvist, J: Wolfskinder - Lilla stjärna: Wolfskinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Ajvide Lindqvist
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ruhig dalag und sie beobachtete. Ausihrer Größe schloss Teresa, dass es sich um ein Weibchen handeln musste.
    »Denn wir sind ja etwas, oder?«, fuhr Teresa fort. »Zusammen sind wir etwas, obwohl wir noch nicht wissen, was. Fühlt ihr dasselbe?«
    Während der Gespräche hatte Theres dagesessen und leise vor sich hin gesummt, aber jetzt ging das Summen in Worte über, die wie ein Gesang aus ihrem Mund flossen. Ihr Blick war nach innen gerichtet, und die Hände schwebten vor ihr durch die Luft, als ob sie eine komplizierte Beschwörungszeremonie ausführte, zu der auch die Stimme gehörte. Auf der Stelle wurden alle in den Rhythmus hineingezogen, und mehrere Mädchen begannen sich im Takt der Satzmelodie zu wiegen.
    »Alle, die Angst haben, sollen keine Angst mehr haben. Niemand hat etwas falsch gemacht. Niemand soll einsam sein. Die Großen wollen uns haben. Sie werden uns nicht kriegen. Ich verstehe nicht. Aber wir sind jetzt stark. Ich verstehe nicht wir. Wir. Wir. Ich bin klein. Wir sind nicht klein. Wir sind das Rote, das herauskommt. Wir sind das, was sie haben wollen. Jemand darf uns berühren.«
    Als Theres’ Redestrom endete, wurde es still, und alle starrten mit blinden Augen vor sich hin. Dann wurde das Schweigen von einem leisen Knallen durchbrochen. Es war Ronja, die ihre Handflächen dreimal kurz gegeneinanderschlug, ein Applaus.
    Teresa zog den Wolfspelz zu sich heran und holte die Blechschere aus dem Seitenfach des Rucksacks. Sie schnitt einen Streifen von dem Fell ab und reichte ihn Linn, die »Danke« flüsterte und sich mit dem weichen Pelz über die Wange strich. Teresa schnitt weiter und teilte aus, bis jeder sein Stück bekommen hatte. Einige steckten es sich in die Tasche, aber die meisten saßen da und streichelten die grauen, dichten Haare, als ob sie wirklich einen Körper in ihren Händen hielten.
    »Von jetzt ab«, sagte Teresa, »sind wir das Rudel. Wer eine von uns verletzt, verletzt uns alle.«
    Die Mädchen nickten und streichelten die gemeinsameHaut. Plötzlich brach Ronja in ein lautes Lachen aus. Sie schaukelte vor und zurück, während sie vor Lachen heulte und den Fellstreifen schwang. Teresa beobachtete sie, lauschte auf das Geräusch ihres Lachens und erkannte etwas aus ihrer Zeit in der Kinder- und Jugendpsychiatrie wieder, das sie bei den anderen Insassen erlebt hatte. Ronja war eine Buchstabenkombination, eine Diagnose. Sie litt an einer psychischen Krankheit, deren Namen Teresa nicht wusste.
    Nachdem Ronja aufgehört hatte zu lachen, küsste sie mehrere Male ihren Fellstreifen, knotete ihn sich mithilfe ihrer Zähne um den Oberarm und wandte sich dann an Teresa.
    »Du hast vorhin gesagt, dass wir etwas sind, aber noch nicht wissen, was. Ich kann dir sagen, was wir sind. Wir sind eine Gruppe von Versagern, die eure Lieder mögen. Und wir sind gefährlich. Verdammt gefährlich.«
    10
    In den darauffolgenden Wochen suchte die Gruppe ihre Richtung. Über Theres’ und Teresas Lieder hinaus gab es nicht viel, was sie zusammenhielt, kein Hobby oder ein gemeinsames Interesse, um das sie sich sammeln konnten. Das Einzige, was sie verband, war das Gefühl einer Notwendigkeit, dass sie sich treffen und zusammen sein mussten, aber ansonsten waren sie ein streunendes Rudel ohne ein bestimmtes Ziel.
    Alle wollten Theres nahe sein. Eine widersprüchliche Mischung aus einem Beschützerinstinkt, der ihnen gebot, sich um dieses zerbrechliche Mädchen zu kümmern, und einer Ehrfurcht vor diesem Wesen, das ihnen der Himmel geschickt zu haben schien. Sie dürsteten nach ihren Worten, nach ihrer Stimme, wenn sie hin und wieder sang, nach ihrer bloßen Anwesenheit.
    Und sie dürsteten nach der Gemeinschaft mit den anderen. Was Teresa als Geruchseindruck während ihres ersten Treffenserlebt hatte, konnten bald alle bestätigen. Dies war die einzige Gruppe, in der sie sich sicher fühlten. Die Angst, von der sie im Alltag beherrscht wurden, verflüchtigte sich, sobald sie zusammensaßen.
    Teresa hatte begonnen, diese Sonntagstreffen als ihr eigentliches Leben zu betrachten und die Gruppe als ihre Familie. Die restlichen Tage der Woche waren Beiwerk, und sie sehnte sich ständig nach dem Wochenende, wenn sie wieder bei den Ihren sein konnte.
    Trotzdem schien etwas zu fehlen. Ronja sagte, dass sie eher eine therapeutische Gesprächsgruppe wären als ein Rudel. Alle hatten ihre Wolfspelzstreifen, einige von ihnen hatten sie sogar auf ihre Jacken genäht, aber wohin war dieses Rudel eigentlich

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