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Wolfskinder - Lindqvist, J: Wolfskinder - Lilla stjärna: Wolfskinder

Wolfskinder - Lindqvist, J: Wolfskinder - Lilla stjärna: Wolfskinder

Titel: Wolfskinder - Lindqvist, J: Wolfskinder - Lilla stjärna: Wolfskinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Ajvide Lindqvist
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aber in ihrer Brust konnte sie das Gewicht der Erde spüren, die bereits auf ihr lag.
    Zwischen ihrem Brustkorb und dem Deckel hatte sie höchstens zwanzig Zentimeter Luft. Es wäre unmöglich für sie gewesen, hier herauszukommen, selbst wenn sie es noch so gerne gewollt hätte. Das Gewicht der Erde würde sie daran hindern, die Nägel hinauszudrücken. Sie war verlassen. Überlassen. Sie atmete flach und langsam.
    Kein Licht mehr durch den Spalt, keine Stimmen, keine Spaten, keine fallende Erde. Nichts. Sie hatte schon jegliches Zeitgefühl verloren. Sie wusste, dass sie noch keine halbe Stunde hier gelegen hatte, aber ob es drei Minuten oder zehn Minuten waren, konnte sie nicht sagen, da es keine Referenzpunkte gab.
    Sie begann im Kopf vor sich hin zu zählen. Als sie bei hundert war, gab sie auf. Normalerweise konnte sie gut Sekunden zählen, aber schon der Begriff »Sekunde« hatte seine Bedeutung verloren. Vielleicht hatte sie viel zu langsam gezählt oder viel zu schnell. Sie wusste es nicht.
    Sie gab sich hin. Ohne dass sie sich dessen bewusst war, war ihr ganzer Körper angespannt gewesen, und sie bemerkte es erst, als sie sich entspannte. Sie gab sich hin und überließ sich der Dunkelheit und der Stille und der Abwesenheit all dessen, was sie war.
    Noch ein unmessbarer Zeitabschnitt verrann. Sie atmete flach und langsam. Etwas bewegte sich. Ein schwaches Geräusch. Zuerst dachte sie, es sei irgendein Wurm oder Insekt, das mit ihr in die Kiste gesperrt worden war, und versuchte dasGeräusch zu orten. Ihre Hände bewegten sich über die Seiten der Kiste. Ein stummes und raues Nichts.
    Aber das Geräusch. Die Bewegung.
    Der Innenraum gestattete ihr so gerade eben, sich auf die Seite zu rollen. Ihre Schulter drückte gegen den Deckel, als sie den Rücken in die Richtung drehte, aus der das Geräusch ihrer Meinung nach kam. Sie drückte die Hände gegen die Ohren. Das Geräusch war trotzdem zu hören. Etwas bewegte sich durch die Erde. Buddelte. Kam näher.
    Ihr Herz begann schneller zu schlagen, und es gelang ihr nicht mehr, ihre Atmung zu kontrollieren. Keuchend und stoßweise wurden die Atemzüge aus ihr herausgepresst, während sich das, was sich durch die Erde bewegte, an der Längsseite der Kiste entlangschob. Sie hörte es, sie spürte es durch den ganzen Körper hindurch.
    Es wurde wärmer. Sie begann unter dem Haaransatz zu schwitzen, und die Luft enthielt nicht mehr das, was sie brauchte. Sie zuckte zusammen, als hätte sie einen elektrischen Schlag bekommen, zuckte noch einmal, und die Panik drohte. Sie war auf allen Seiten von Erde umschlossen, lag in tiefster Dunkelheit, hatte keine Luft, und irgendetwas hatte sich zu ihr durchgegraben, versuchte einzudringen. Sie sollte schreien. Obwohl sie den Punkt noch nicht erreicht hatte, sollte sie jetzt schreien.
    Sie zog die dünne Luft in ihre Lungen, und gleichzeitig drang dieses andere zu ihr herein, schlich sich hinter ihrem Rücken herein und schmiegte sich an sie.
    Urd.
    Sie atmete aus, ohne zu schreien. Sie spürte, wie sie von der weichen, vergebenden Dunkelheit umarmt wurde, die ihren Schrecken verloren hatte. Urd lag bei ihr. Urd war sie. Urd schrie nicht.
    Teresa?
    Nicht mehr da. Nie gewesen.
    Aus der Dunkelheit traten Bilder hervor, ihr Leben.
    Sie sah sich selbst, wie sie in der Erde vergraben wurde, aber die Kiste war leer. Sie sah ihren Computer, sah sich selbst davor sitzen, Tasten wurden gedrückt und wurden zu einem automatischen Piano. Niemand war dort. Ein Hammer schlug, Blut spritzte über einen Zementboden, Kotze spritzte über einen anderen Zementboden, aber die Flüssigkeiten kamen aus der leeren Luft, und die Geschwindigkeit des Film nahm zu.
    Theres saß einsam in der U-Bahn, sprach mit jemandem, den es nicht gab, Göran winkte einem Zug nach, der keine Passagiere hatte, ein Fahrrad ohne Fahrer fuhr über eine Schotterstraße. Johannes spielte Tekken mit sich selbst, wurde von einem unsichtbaren Gespenst geküsst, und trockenes Laub wirbelte durch die Höhle zwischen den Felsblöcken, wo nie jemand gewesen war. Kleider fielen auf dem Grundstück zu Haufen zusammen, in den Zimmern, auf den Straßen. Fielen zusammen, als der Mensch, der sie getragen hatte, verschwand.
    Der Film blieb auf dem Bild einer gelben Perle stehen. Kinderfinger, die eine kleine, gelbe Perle hielten. Wenn es mich nicht gäbe, dann wäre ja niemand da, der die Perle festhält. Die gelbe Perle war da, einen halben Meter über der Tischplatte. Dann verschwanden

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